Die Versprechen klangen zumindest gut: Auf dem Diesel-Gipfel mit der Bundesregierung hatten VW, Daimler und BMW zugesagt: Wir rüsten unsere Diesel nach! Neue Software für die betroffenen Fahrzeuge, selbstverständlich freiwillig und bis Ende 2018.

Doch Fakt ist: Derzeit hängt die Autoindustrie ihren Verpflichtungen hinterher. Eine neue Diesel-Software, die den Schadstoffausstoß reduzieren könnte, haben nur die wenigsten Modelle.

Aber: Die Autofahrer müssen sich das nicht gefallen lassen. Denn immer mehr Diesel-Besitzer bekommen vor Gericht die Möglichkeit, ihre Fahrzeuge zurückzugeben.

Rechtsprechung kippt zugunsten der Verbraucher

BILD sprach mit dem Finanz- und Widerrufs-Experten Roland Klaus von der Interessengemeinschaft Widerruf über die Chance, dem Wertverlust des eigenen Dieselfahrzeugs erfolgreich entgegenzuwirken – mit einer Klage.

BILD: Die Rechtsprechung im Abgas-Skandal kippt gerade zugunsten der Verbraucher – was ist passiert?

Roland Klaus: „Es gab zuletzt diverse verbraucherfreundliche Urteile gegen verschiedene Autohersteller, Kfz-Händler und Autobanken. Nur zwei Beispiele: Das Landgericht Hanau (Az. 9 O 76/18) urteilt, dass Daimler Benz durch die Diesel-Manipulationen gegen die guten Sitten verstoßen habe und verurteilt das Unternehmen daher zur Zahlung von Schadensersatz. Das Landgericht Ravensburg (Az. 2 O 259/17) erklärt einen Kreditvertrag der VW Bank für fehlerhaft und sagt, dass die Bank das Auto zurücknehmen muss und sämtliche Zahlungen an den Verbraucher erstatten muss. Er hat das Auto somit rund 70 000 Kilometer kostenlos gefahren. Diese Urteile sind zwar noch nicht rechtskräftig, aber sie zeigen, dass sich der Wind zugunsten der Kunden dreht.“

»Die meisten KfZ-Kredite weisen Fehler auf

Wie kann sich ein Diesel-Besitzer gegen Wertverluste und Fahrverbote schützen bzw. sein Auto loswerden?

Klaus: „Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten: Erstens kann er vom Hersteller des Fahrzeugs Schadensersatz fordern. Zweitens kann er den Kfz-Händler auf Gewährleistung verklagen. Diese beiden Varianten sind vor allem für Besitzer von Fahrzeugen aussichtsreich, bei denen die Abgas-Manipulationen nachgewiesen oder zumindest sehr wahrscheinlich sind. Dann gibt es noch eine dritte Möglichkeit, die wir für die aussichtsreichste halten – zumindest dann, wenn das Fahrzeug über Kredit oder Leasing finanziert wurde.

Unsere Analysen zeigen nämlich, dass die meisten Kfz-Kredite und Leasingverträge Formfehler aufweisen, die dafür sorgen, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt. Dadurch können Verbraucher diese Verträge noch Jahre nach Abschluss widerrufen. Der Widerruf des Autokredits führt dann dazu, dass sowohl die Finanzierung als auch der Kauf des Autos rückabgewickelt werden. Wir sprechen hier vom sogenannten ,Widerrufsjoker‘.“

Sie sind Experte für Widerrufsfragen: Worin besteht die Chance einer Klage?

Klaus: „Wenn der Widerruf erfolgreich ist, dann kann der Kunde sein Auto an die Bank zurückgeben. Er bekommt seine Anzahlung und sämtliche Raten zurück. Meistens muss er eine moderate Entschädigung dafür bezahlen, dass er das Auto genutzt hat. Die ist aber wesentlich geringer als die massiven Wertverluste, die besonders Diesel-Autos erlitten haben. In der Regel wird dabei unterstellt, dass das Auto eine Lebensdauer von 250 000 Kilometern hat. Wer das Auto also beispielsweise 25 000 Kilometer gefahren hat, zahlt 10 Prozent des Neupreises an die Bank. Das ist lächerlich wenig im Vergleich zu den Verlusten, wenn man das Auto als Gebrauchtwagen verkaufen würde. Wer prüfen will, ob der Widerrufsjoker bei ihm greift, sollte seinen Vertrag von Experten prüfen lassen.“

Kann auch ein Benziner „zurückgegeben“ werden?

Klaus: „Grundsätzlich ja. Denn der Widerruf richtet sich ja gegen den Kreditvertrag. Dabei spielt es keine Rolle, was finanziert wurde. Somit ist dieses Vorgehen ideal für Besitzer von Fahrzeugen, bei denen Abgas-Manipulationen nicht nachgewiesen sind. Das können Diesel von Herstellern sein, die der Manipulation noch nicht überführt worden sind. Denn auch dort gelten schließlich die Fahrverbote und die Wertverluste sind riesig. Aber es können auch Benziner sein. Wie gesagt: Entscheidend ist nur, ob sich entsprechende Formfehler in den Finanzierungsverträgen finden. Die Kosten eines Rechtsstreits werden übrigens in der Regel von der Rechtsschutzversicherung getragen. Und wer keine Versicherung hat, kann diese in vielen Fällen noch vor dem Widerruf abschließen.“

  • 5,3 Millionen Fahrzeuge betroffen

    Nächster Diesel-Hammer!

    Die Versprechen klangen doch eigentlich ganz gut: Auf dem Diesel-Gipfel mit der Bundesregierung hatten VW, Daimler und BMW zugesagt:…

  • Bundesamt ordnet an

    Daimler muss 690 000 Diesel zurückrufen

    Betroffen sind neben dem Vito unter anderem Varianten der C-, E- und S-Klasse. In Deutschland müssen 280 000 Autos in die Werkstatt.

»Volkswagen knickt häufig ein

Welcher Autohersteller zeigt sich Ihrer Meinung nach am willigsten, die Kunden zu entschädigen?

Klaus: „In den letzten Wochen berichten mir immer mehr Nutzer der Interessengemeinschaft Widerruf, dass sie sich nach dem Kredit-Widerruf mit einer der Autobanken des VW-Konzerns (VW Bank, Audi Bank, Seat Bank, Skoda Bank) geeinigt haben. Das läuft aber leider nicht so, dass man als Kunde einfach nur einen Brief an die Bank schreibt. Aber sobald man sich einen Anwalt genommen hat und Klage eingereicht hat, knickt Volkswagen häufig ein und nimmt das Auto zurück. Auch wer sein Fahrzeug nicht finanziert hat und auf Schadensersatz klagt, hat gute Chancen auf einen lukrativen Vergleich mit Volkswagen. Allerdings passiert das dann häufig erst in der Berufung. Denn eins ist klar: VW will auf jeden Fall höchstrichterliche Urteile beim Bundesgerichtshof vermeiden. Somit gilt: Wer genügend Hartnäckigkeit beweist, hat sehr gute Chancen, doch noch zu seinem Recht zu kommen.“

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