Heiße Sonne, coole Sonde: „BepiColombo“, ein europäisch-japanisches Raumschiff, startet zum Merkur. Spannend wird es schon ganz am Anfang.

Dem Sterne so nah. BepiColombo soll dem Merkur Geheimnisse entlocken.

Die „anspruchsvollste interplanetare Mission“ in der Geschichte ihrer Organisation nennt Elsa Montagnon „BepiColombo“. Sie leitet das Flugkontrollteam für diese Sonde bei der Europäischen Weltraumorganisation (Esa). Der Name erinnert an den italienischen Raumfahrtingenieur und Pionier der Erkundung des Merkur, Guiseppe Colombo (1920-1984). Genau zu jenem sonnennächsten und eher unerforschten Planeten startet sie am 20. Oktober vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana.

Sieben Jahre Anflugzeit

„Ein einziger Fehler könnte die ganze Mission zum Scheitern bringen“, sagt der Leiter des Missionsbetriebs der Esa, Paolo Ferri. Wenn alles klappt, dauert die Reise der europäisch-japanischen Sonde bis zur Ziel-Umlaufbahn des Merkur sieben Jahre. Erst im April 2026 kann laut Projektwissenschaftler Johannes Benkhoff die Forschung beginnen.

Die Vorbereitungen der 1,3 Milliarden Euro teuren Mission haben fast 20 Jahre gedauert. Schon 2013 sollte eigentlich gestartet werden. Ein Grund dafür waren die unwirtlichen Bedingungen in der laut Esa „höllischen Umgebung“. Ganz neue Technologien mussten dafür entwickelt werden – unter anderem Sonnensegel, die ständig aus der Sonne herausgedreht werden müssen, weil sie sonst überhitzen.

Sonden-Antriebe in Zeiten des Elektromobilität

Unter den 24 Triebwerken von BepiColombo sind erstmals auch vier elektrische Ionenantriebe. Sie werden von Solarzellen mit einer Fläche von insgesamt 42 Quadratmetern mit Strom versorgt. „Wir brauchen mehr Energie, als zum Pluto zu fliegen“, beschreibt der Leiter der Esa-Abteilung für interplanetare Missionen, Andrea Accomazzo, eine der größten Herausforderungen der Mission. Die Entfernung von der Erde zum Pluto ist wesentlich größer als die zum Merkur. Grund für den hohen Energiebedarf sei die Anziehungskraft der Sonne.

Die 6,40 Meter hohe und 4,1 Tonnen schwere Raumsonde wird sich ihrem Ziel in großen elliptischen Bahnen nähern. Dabei fliegt sie neunmal an verschiedenen Planeten vorbei, unter anderem um abzubremsen und nicht auf die Sonne zu fallen. Zuerst passiert sie 2020 die Erde, dann zweimal die Venus und sechsmal den Merkur selbst. „Jeder Vorbeiflug an einem Planeten braucht ein paar Monate intensive Vorbereitungszeit“, sagt Accomazzo.

1 Wenn BepiColombo die Merkur-Zielumlaufbahn voraussichtlich im Dezember 2025 erreicht, trennen sich die zwei selbstständigen Wissenschafts-Satelliten von ihrem Raumtaxi und erforschen den Planeten aus unterschiedlichen Umlaufbahnen. Der Esa-Satellit MPO (Mercury Planetary Orbiter), auch „Bepi“ genannt, wird die Oberfläche des Merkur untersuchen. Der japanische Satellit MMO (Mercury Magnetospheric Orbiter) – oder „Mio“ – soll das Magnetfeld vermessen.

Chronik eines angekündigten Fluges

„Wir wollen verstehen, wie unser Sonnensystem entstanden und geformt ist“, beschreibt Benkhoff das übergeordnete Ziel. Dafür habe der Merkur, der so nah an der Sonne ist, eine besondere Bedeutung. „Wahrscheinlich hat er, wie die Erde, einen flüssigen Kern, der sein Magnetfeld erzeugt, aber die Wissenschaft weiß nicht, warum“, sagt Montagnon. Vorbeiflüge von US-Sonden in den 1970er und den 2010er Jahren hätten zwar viele Daten gebracht. Doch vieles sei unklar. „Sie haben Sachen entdeckt, die niemand erklären kann.“ Dazu gehören nach den Worten Benkhoffs auch Aushöhlungen an der Oberfläche, die darauf hinweisen, dass Gas entwichen sein könnte. Es gebe auch Hinweise auf Wassereis in Kratern, in die die Sonne nicht vordringt.

An vier der elf Kameras und Instrumente an Bord des Esa-Satelliten MPO sind deutsche Forschungseinrichtungen beteiligt. So wird für die Charakterisierung der Minerale und Elemente der Merkur-Oberfläche ein in Münster entwickeltes Thermisches Infrarotspektrometer namens „Mertis“ eingesetzt. Ein Jahr ist für die Forschung mindestens vorgesehen, MPO könnte aber auch bis zu vier Jahre halten. Dann werde der europäische Orbiter voraussichtlich verglühen. Der japanische Satellit MMO soll nach etwa 3,5 Jahren auf dem Merkur zerschellen.

Schon kurz nach dem Start am Samstag ist für die Mitarbeiter des Raumfahrtkontrollzentrums in Darmstadt ein entscheidender Moment, denn die Solarpanele müssen ausgefahren werden. Nach drei Tagen wäre dann die erste kritische Phase vorbei. Mitte Dezember würde die nächste folgen. Dann müssen die Ionentriebwerke gezündet werden. Falls das nicht funktioniert, könnte die ganze Mission scheitern, sagt Accomazzo. Wenn es jedoch gelingt, werde es bis zum Vorbeiflug von BepiColombo an der Erde in rund eineinhalb Jahren „relativ ruhig“ sein.

tsp/dpa

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