Großbritannien und EU einigen sich auf Backstop-Ersatz

Die EU-Kommission und die britische Regierung haben verkündet, man habe einen Durchbruch erzielt im Streit über die umstrittene Notfall-Lösung für die Grenze zu Nordirland nach dem Brexit. (Quelle: Reuters)

Straßburg: Bei einer Last-Minute-Verhandlung konnten sich Jean-Claude Juncker und Theresa May auf eine Zwischenlösung für die Grenze zu Nordirland einigen. (Quelle: Reuters)


In tagelangen Gesprächen über den Brexit-Vertrag gab es keinerlei Bewegung. Doch in letzter Minute gelang Theresa May nun doch noch ein Kompromiss. Ob das reicht?

Nach ihren erfolgreichen Last-Minute-Verhandlungen in Straßburg hofft die britische Premierministerin Theresa May auf einen Durchbruch für ihr Brexit-Abkommen im Parlament in London. Am Dienstagabend (voraussichtlich ab 20 Uhr MEZ) sollen die Abgeordneten im Unterhaus ein zweites Mal über das mit Brüssel ausgehandelte Vertragspaket zum EU-Austritt des Landes abstimmen. Bei der ersten Abstimmung war May krachend gescheitert. Auch dieses Mal wurden ihr kaum Chancen ausgerechnet. Nun hofft sie, dass die in letzter Minute gewonnenen Zugeständnisse der Europäischen Union bei der umstrittenen irischen Grenzfrage das Blatt noch einmal wenden.

Entscheidend für einen Erfolg bei der Abstimmung dürfte sein, ob der britische Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox in einem Rechtsgutachten seine ursprüngliche Bewertung des Abkommens nun ändert. Cox hatte im Dezember befunden, dass Großbritannien durch die sogenannte Backstop-Regelung dauerhaft gegen seinen Willen an die EU gebunden bleiben könnte.

Der Backstop soll verhindern, dass zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland wieder Grenzkontrollen eingeführt werden müssen. Ansonsten wird ein Wiederaufflammen der Gewalt in der ehemaligen Bürgerkriegsregion befürchtet. Die Regelung sieht vor, dass Großbritannien so lange in einer Zollunion mit der EU bleibt, bis die Frage anderweitig gelöst ist.

Sollte Cox seine Meinung ändern, dürften viele Brexit-Befürworter in Mays Konservativer Partei ihren Widerstand gegen das Abkommen aufgeben. Würde sich gar die nordirisch-protestantische DUP überzeugen lassen, könnte May nach Ansicht von Beobachtern sogar eine Chance haben, ihren Deal doch noch durchs Parlament zu bringen.

Neue Einigung mit EU gibt Hoffnung

Wird der Vertrag am Dienstag trotz der Nachbesserungen abgelehnt, will May am Mittwoch über ein Ausscheiden ohne Deal abstimmen lassen. Findet auch das keine Mehrheit, sollen die Abgeordneten am Donnerstag entscheiden, ob London eine Verschiebung des Brexits beantragen soll. Planmäßig will sich Großbritannien am 29. März von der EU trennen.

May hatte sich am Montagabend kurzfristig mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Straßburg getroffen. Bei einer anschließenden Pressekonferenz sagte Juncker, man habe sich im Geiste der Kooperation auf ein „rechtlich verbindliches Instrument“ als Ergänzung zum Austrittsvertrag geeinigt.

Das „rechtlich verbindliche Instrument“ soll noch deutlicher machen, dass der Backstop höchstens eine Übergangslösung ist. Und eine gemeinsame Ergänzung der politischen Erklärung über die künftigen Beziehungen beider Seiten soll betonen, dass diese schnellstmöglich geklärt werden. Das soll den Backstop überflüssig machen.

Juncker: „Es wird keine dritte Chance geben“

Juncker stellte klar, dass dies die letzten Zugeständnisse der EU sein würden. Er beschwor die Abgeordneten im britischen Unterhaus, dem Vertrag nun zuzustimmen. „Es wird keine dritte Chance geben“, sagte Juncker. Werde dieser Vertrag nicht angenommen, werde der Brexit womöglich gar nicht stattfinden. Eine Verlängerung der Austrittsfrist sei nur bis zur Europawahl Ende Mai möglich, andernfalls müsse Großbritannien an der Wahl teilnehmen.

May richtete einen ähnlichen Appell an die Abgeordneten. „Heute haben wir rechtliche Änderungen durchgesetzt. Jetzt ist es Zeit, gemeinsam diesen verbesserten Brexit-Deal zu unterstützen und den Willen des britischen Volkes umzusetzen“, sagte die Premierministerin.

May kündigte zudem eine einseitige Erklärung an. Demnach sieht sich London berechtigt, Maßnahmen zu ergreifen, die zum Ende der Backstop-Regelung führen, sollten die Verhandlungen über eine künftige Beziehung scheitern.

Our agreement provides meaningful clarifications & legal guarantees to the Withdrawal Agreement & #backstop. The choice is clear: it is this deal, or #Brexit may not happen at all. Let’s bring the UK’s withdrawal to an orderly end. We owe it to history. https://t.co/lfy9eehEZi pic.twitter.com/XCqcLwZV7V

— Jean-Claude Juncker (@JunckerEU) March 11, 2019

Auch der Präsident des EU-Parlaments, Antonio Tajani, schrieb auf Twitter, er hoffe, dass die britischen Abgeordneten am Dienstag für die neue Einigung stimmen. „Wir haben alles getan, was uns nur möglich ist, um Großbritannien zu beruhigen“, so Tajani.

#Brexit: We have done everything possible to reassure the United Kingdom. We look forward to a positive vote in the Commons. I hope common sense will prevail. 🇪🇺🇬🇧 pic.twitter.com/NjU9Rz3DTz

— Antonio Tajani (@EP_President) March 11, 2019

Urteil der DUP dürfte entscheidend sein

Führende konservative Brexit-Hardliner und die DUP zeigten sich zurückhaltend. Die Änderungen am Abkommen müssten nun zunächst einer gründlichen Prüfung unterzogen werden, teilte die DUP mit.

Die Opposition dagegen war unbeeindruckt. Labour-Chef Jeremy Corbyn bezeichnete die Verhandlungen als „gescheitert“. In der Vereinbarung sei nichts, was den Änderungen nahe komme, die May dem Parlament versprochen habe. Auch der Labour-Brexit-Experte Keir Starmer hält die Änderung für bedeutungslos. Juncker stellte ebenfalls klar, dass er nicht über das bisherige Mandat der übrigen 27 EU-Staaten hinaus gegangen sei.

Für Irland könnte der Kompromiss an die Schmerzgrenze gehen. Während Mays Treffen mit Juncker in Straßburg kam das Kabinett in Dublin zu einer Krisensitzung zusammen. Regierungschef Leo Varadkar, der eigentlich in die USA reisen wollte, wurde vom Flughafen in der irischen Hauptstadt zu dem Treffen zurückgebracht.

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Mitte Januar war May mit dem Abkommen krachend im Unterhaus gescheitert. Das Parlament ist im Brexit-Kurs vollkommen zerstritten. Großbritannien will sich am 29. März von der EU trennen.

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