Im Ringen um teure Fachjournale müssen sich endlich alle Seiten bewegen – der Verlag Elsevier genauso wie die Wissenschaft, meint unser Kolumnist.

Unser Kolumnist Jan-Martin Wiarda.

Der Projektname formuliert den Anspruch. Einen DEAL wollen die deutschen Wissenschaftsorganisationen mit den großen Wissenschaftsverlagen aushandeln, Nationallizenzen, die anstelle teurer Einzelabos treten sollen. Parallel wollen die Hochschulen und Forschungseinrichtungen auch noch den Umstieg auf Open Access erreichen, was bedeutet, dass künftig nicht mehr die Leser einer wissenschaftlichen Publikation zahlen sollen, sondern die Institutionen, die hinter den Autoren stehen.

Je länger die Verhandlungen dauern, und sie dauern schon seit Jahren, desto mehr wird der Projektname aber auch zu einer Mahnung: Jetzt macht ihn endlich mal, euren DEAL. Doch ausgerechnet mit dem weltweit bedeutendsten Wissenschaftsverlag Elsevier stocken die Gespräche nicht nur, sie sind seit Juli 2018 komplett ausgesetzt, auf Initiative der Allianz der Wissenschaftsorganisationen und unter Federführung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK).

Eine Umsatzrendite von zuletzt 37 Prozent

Die HRK wollte mit dem drastischen Schritt den öffentlichen Druck auf Elsevier erhöhen, was an sich nicht so schwierig sein dürfte. Normalerweise reicht der Hinweis auf dessen traumhafte Umsatzrendite von zuletzt 37 Prozent, um klar zu machen, wer hier wen ausnutzt. Doch allmählich muss auch die Wissenschaft aufpassen, dass sie nicht zu hoch pokert.

Über 200 Bibliotheken, Hochschulen und Forschungseinrichtungen befinden sich inzwischen in einem vertragslosen Zustand mit Elsevier, das heißt: Sie haben, ermutigt von den DEAL-Verhandlungsführern, ihre Abos gekündigt – um den Verlag weiter unter Zugzwang zu setzen und weil sie auf eine baldige Einigung setzten. Lange Zeit ließ Elsevier aus Angst, auch noch die letzten Sympathiepunkte bei Wissenschaftlern und Studenten zu verlieren, die Nutzung seiner Zeitschriften an den betroffenen Einrichtungen kostenfrei weiterlaufen. Bis zum vergangenen Juli: Nachdem die HRK die Verhandlungen abgebrochen hatte, machte Elsevier den Gratis-Zugang dicht.

Exzellente Forschung, aber Notbehelfe bei aktuellen Artikel

Seitdem wächst der Druck auch auf Allianz und HRK. Eine weitere Nutzung von Elsevier-Publikationen, „dieser für ihre Arbeit unabdingbaren Ressourcen“ sei für viele Forscher „nur unter großen Schwierigkeiten möglich“, klagten über 30 Journal-Herausgeber schon im Oktober einem offenen Brief. Besonders betroffen sei der wissenschaftliche Nachwuchs, der ohnehin schon unter einem „oft existentiellen Zeit- und Leistungsdruck“ stehe. Die HRK hingegen spricht von einer Situation „ohne nennenswerte Probleme“. So oder so muss die Frage erlaubt sein: Exzellente Forschung und Notbehelfe bei der Nutzung aktueller Artikel, verlässliche Rahmenbedingungen für die Wissenschaft und ein Vertragsvakuum beim Journalzugang – wie soll das auf Dauer zusammengehen?

Derweil spielt Elsevier wenig überzeugend die Rolle des verschmähten Wohltäters, der ja längst in zentralen Punkten auf die Forderungen der Wissenschaft eingegangen sei. Was die HRK vehement bestreitet.

Sicher ist: So geht das nicht weiter. Dieses Gezerre versteht keiner mehr. Auch der Hinweis der DEAL-Leute, dass es mit den beiden andere Großverlagen, Springer und Wiley, besser laufe, zieht immer weniger. Ja, Elsevier muss sich noch stärker bewegen. Aber auch die Wissenschaftsorganisationen müssen sich eingestehen, dass sie nicht alle ihre Forderungen erreichen können. Und am allerwenigsten, indem man sich nicht mal mehr zu Verhandlungen trifft. Der DEAL muss jetzt kommen.

Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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