Nie hat eine einzelne Krankheit so viele Wirbeltiere sterben lassen. Jede zweite Amphibienart ist betroffen. Jetzt ist klar, woher die Krankheit kam.

Eine Chinesische Rotbauchunke (Symbolbild)

Es ist ein langsamer, ein leiser Tod. Infizierte Tiere werden krank, lethargisch, fressen nichts mehr. Die meisten sitzen einfach nur da, während ihre Haut sich langsam auflöst und ihr Herz zu schlagen aufhört. Auf diese Weise sind seit den neunziger Jahren unzählige Frösche, Kröten und Molche auf der ganzen Welt verendet. Es ist ein weltweites Massensterben und der wahrscheinlich größte Verlust von Wirbeltieren, den jemals eine einzelne Krankheit verursacht hat: Chytridiomykose wird verursacht durch einen Pilz namens Batrachochytrium dendrobatidis, kurz: den Chytrid-Pilz.

Zwar beobachteten Forscher auf verschiedenen Kontinenten schon in den 1970er Jahren Massensterben bei mehreren Amphibienarten. Aber erst 20 Jahre später war klar, dass es sich um ein weltweites Phänomen handelte, das nicht allein durch Klimaveränderungen, Umweltverschmutzung oder Verlust der Lebensräume zustande gekommen sein konnte. In Mittel- und Südamerika raffte die Krankheit innerhalb von Wochen ganze Populationen dahin, ganze Arten starben komplett aus.

Der Verursacher, der Chytrid-Pilz, verbreitet sich mit bis zu 100 Kilometern pro Jahr. Im Wasser überleben seine Sporen bis zu 24 Stunden. Von dort aus befällt er die Haut der Amphibien und wird dann auch direkt von Tier zu Tier übertragen. Der Chytrid-Pilz ernährt sich von der Hornschicht der Haut, die er dadurch zerstört. So verlieren die Amphibien die lebenswichtige Fähigkeit, ihren Wasser- und Salzhaushalt zu regulieren. Forscher nehmen an, dass die meisten Tiere an Herzversagen sterben.

Der Pilz hat sich mittlerweile auf der ganzen Welt ausgebreitet. Bislang allerdings war völlig unklar, woher er ursprünglich kam.

Ein Pilz reist um die ganze Welt

Dieses Rätsel haben Wissenschaftler nun gelöst. Sie berichten davon im Fachblatt „Science“. Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Simon O’Hanlon vom Londoner Imperial College sammelte weltweit Proben des Pilzes und analysierte deren Genome. Es gelang den Wissenschaftlern, aus dem Erbgut vier verschiedene Abstammungslinien zu rekonstruieren.

Drei davon kommen weltweit vor. Die vierte aber – und das war das Entscheidende – fand sich ausschließlich bei Fröschen, die auf der koreanischen Halbinsel heimisch sind. Die Pilzproben von dort zeigten auch eine viel größere genetische Vielfalt als die Proben der anderen drei Linien.

Zudem deutete in ihrem Erbgut nichts darauf hin, dass es in ihrer Entwicklung große Schwankungen gegeben hatte. Die Forscher interpretieren das als Hinweis darauf, dass diese Pilze anders als die drei anderen Stämme nicht durch neue Umweltbedingungen dezimiert wurden. Das wäre typisch für Organismen gewesen, die sich weltweit verteilen. Alles deutete also darauf hin, dass der vierte Stamm schon immer auf der koreanischen Halbinsel heimisch gewesen war und die drei anderen sich aus ihm entwickelt haben.

Eine der Varianten des Pilzes ist besonders tödlich. Sie hat auf noch unbekannter Route ihre Reise um die Welt angetreten. Und sie tat dies später als bisher vermutet. Bislang hatte man angenommen, dass der Pilz schon vor Tausenden von Jahren sein Ursprungsgebiet verlassen hatte. Die neuen Resultate legen aber eher einen Zeitraum von 50 bis 120 Jahren nahe.

Das ist genau die Spanne, in der sich der weltweite Handel rasant entwickelte – auch von Fröschen und Kröten als Haustiere, kulinarische Leckereien oder als Zutat zu irgendwelchen Rezepten der traditionellen chinesischen Medizin.

Der Feuersalamander ist in Gefahr

Die Forscher sind sich sicher, dass dieser Handel wesentlich zur Verbreitung des Pilzes beigetragen hat. Auf jeder zweiten der 1300 bisher getesteten Amphibienarten konnte der Erreger schon nachgewiesen werden. Insgesamt sind etwa 7800 Arten bekannt. In einem Appell fordern die Autoren der Studie nun ein Verbot des weltweiten Handels mit den Tieren, sonst stehe „die ganze Vielfalt der Amphibien unwiederbringlich auf dem Spiel.“

Denn während Frösche in Terrarien mit Anti-Pilz-Mitteln behandelt werden können, kennt man für Tiere in freier Wildbahn bisher keine wirksame Strategie. Allerdings fanden andere Forscher kürzlich, dass manche Populationen in Lateinamerika sich erholten und dass dafür offenbar eine zunehmende Resistenz gegen die Pilze verantwortlich ist.

In Europa gebe es bisher „kein dokumentiertes Sterben größeren Ausmaßes, das auf den Pilz zurückgeht“, sagt Mark-Oliver Rödel, Amphibienforscher am Naturkundemuseum Berlin. Warum Grasfrosch, Erdkröte und Teichmolch mit dem Pilz bisher gut zurechtzukommen scheinen, ist unklar. Aber selbst wenn der Chytrid-Pilz bislang kein Problem darstellt, droht aus dem Westen längst schon eine ähnliche Gefahr.

In Belgien und den Niederlanden löscht der Pilz Batrachochytrium salamandivorans einen Feuersalamander-Bestand nach dem anderen aus. „In den Beneluxstaaten ist der Feuersalamander quasi ausgestorben“, sagt Rödel. In der Eifel und im Ruhrgebiet wurde der Pilz bereits nachgewiesen. Zuletzt kam es Anfang 2018 in Essen zu einem Massensterben. Auch dieser Pilz hat sich aus dem gemeinsamen asiatischen Vorfahr entwickelt. Und kam über den Handel nach Europa.

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