Zwei Asteroiden werden derzeit intensiv erforscht. Das hilft auch, um Methoden gegen drohende Kollisionen mit der Erde zu entwickeln.

Die Asteroiden „Bennu“ (links) und „Ryugu“ (rechts) werden derzeit intensiv erforscht. Jetzt wurden neue Daten veröffentlicht, die…

Asteroiden gehören zu den eigenwilligsten Objekten im Sonnensystem. Sie sind oft nur wenige hundert Meter bis einige Kilometer groß, also viel kleiner als Planeten. Sie haben keinen schicken Schweif, wie Kometen. Sie können selbst nicht leuchten, wie die Sonne. Im Grunde sind es große löchrige Schutthaufen, die gerade so viel Gravitation aufbringen, dass sie nicht auseinanderfallen. Dies gilt zumindest für die erdbahnkreuzenden Asteroiden – und hier klingt schon die nächste Eigenart an: Ihre Umlaufbahnen um die Sonne sind veränderlich. Manche kommen der Erde ziemlich nahe, einige zu nahe. Geschosse von rund einem Kilometer Größe treffen unseren Planeten im Schnitt alle eine Million Jahre – mit katastrophalen Folgen.

Zeitkapseln aus der Frühzeit des Sonnensystems

Erdnahe Asteroiden sind daher beliebte Forschungsobjekte. „Sie enthalten noch ursprüngliches Material aus der frühen Phase des Sonnensystems, das eben nicht umgewandelt wurde wie auf den Planeten“, sagt Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin. Wer mehr darüber lernen wolle, müsse Asteroiden erforschen. Die Ergebnisse seien zugleich wichtig, um Maßnahmen gegen drohende Kollisionen zu entwickeln. „Wenn man einen solchen Asteroiden ablenken will, muss man mehr über ihn wissen, als wir es bisher tun.“ Schätzungsweise 17.000 erdnahe Asteroiden gibt es. Aktuell werden gleich zwei untersucht: „101955 Bennu“ unter Führung der US-Raumfahrtagentur Nasa mit der Mission „Osiris-Rex“ sowie „162173 Ryugu“ mit der Mission „Hayabusa 2“ unter Leitung der japanischen Agentur Jaxa. Auf einer Konferenz in Houston und zeitgleich in mehreren Fachjournalen (etwa „Nature“ und „Science“) wurden am Dienstag die wichtigsten Zwischenergebnisse vorgestellt.
Der Höhepunkt der Missionen besteht darin, Proben von Bennu und Ryugu zu nehmen und zur Erde zu bringen. Es ist ein Unterfangen, bei dem vieles schief gehen kann. Zumindest der erste Einsatz des „Asteroidenstaubsaugers“ von Hayabusa 2 vor vier Wochen hat geklappt. Ob der zweite auch erfolgreich ist und das Material heil auf der Erde ankommt, wird sich zeigen.
Die Nahaufnahmen, die die beteiligten Forscherinnen und Forscher jetzt vorstellen, zeigen für beide Objekte eine überraschend abwechslungsreiche Oberfläche mit Kratern und Blöcken, die teilweise etliche Dutzend Meter groß sind, sowie Hinweise auf Hangrutschungen. Dies erstaunt, wenn man sich vor Augen führt, dass etwa Ryugu nur ein 66.500stel der Anziehungskraft der Erde hat.

Zwei Himmelskörper mit Wespentaille

Bemerkenswert ist, dass beide Asteroiden kegelförmige Spitzen an den Polen sowie eine markante Ausbuchtung am Äquator haben. Die Forscher argumentieren, dass Bennu und Ryugu in der Vergangenheit einmal schneller um die eigene Achse rotiert haben müssen, wodurch der Fliehkraft folgend die umlaufende Beule entstand. Dies ging um so leichter, weil der innere Zusammenhalt der Körper eher schwach ist. Sie bestehen nicht aus kompaktem Fels, sondern aus unzähligen Brocken, die viel Kohlenstoff enthalten und vorrangig von der geringen Gravitation zusammengehalten werden. Die Dichte wurde für beide Körper mit 1,19 Gramm je Kubikzentimeter bestimmt. Zum Vergleich: Wasser hat 1,0, gewöhnliches Gestein 2,7 und mehr. Die Asteroiden sind also sehr porös, möglicherweise enthielten sie früher einmal Eis, das verdampfte und Löcher hinterließ, spekuliert das Hayabusa-Team.
„Wir sehen einmal mehr die Theorie bestätigt, dass Asteroiden in dieser Größenordnung letztlich Schutthaufen sind“, sagt der DLR-Forscher Jaumann, der an der Hayabusa-Mission beteiligt ist. Offen sei, ob Ryugu von Anfang an in dieser Größe existierte oder ob er aus der Kollision eines größeren Körpers hervorging. „Mich überrascht, dass die Oberfläche nur rund eine Million Jahre alt ist“, ergänzt der Forscher. „In den Maßstäben des Sonnensystems ist das nichts.“ Früher habe man angenommen, die Körper bilden sich und fliegen dann über Jahrmillionen oder gar Jahrmilliarden unbeeinflusst umher. „Anhand der Einschlagkrater und weiteren Veränderungen auf der Oberfläche sehen wir, dass zumindest Ryugu noch einiges erlebt hat, bis in die jüngste Vergangenheit.“

Vermessen, Anbohren, Beschießen, Einsammeln

Die Erforschung der beiden Körper – Bennu hat einen Durchmesser von rund 500 Metern, Ryugu rund 1000 Meter – dürfte noch weitere Überraschungen liefern. Im Herbst 2018 wurden im Rahmen der Hayabusa-Mission zwei Rover und der DLR-Lander „Mascot“ auf der Oberfläche abgesetzt, um Temperatur, Wärmestrahlung, Magnetfeld und weitere Materialeigenschaften zu messen; die Auswertung dauert noch an. Große Hoffnungen setzen die Forscher auf Proben, die in Laboren auf der Erde untersucht werden sollen. Die Sonde Hayabusa hat sich dazu am 21. Februar der Oberfläche genähert, ein fünf Gramm leichtes Projektil abgefeuert und aufgewirbelten Staub in einen Probenbehälter gesammelt. Im April soll ein 2,5-Kilo-Projektil eingeschossen werden, um Material aus tieferen Schichten herauszuschleudern, die nicht von der Weltraumverwitterung betroffen sind. Dieses soll, dank der geringen Gravitation, über der Oberfläche schweben und Tage später mit einem Greifarm eingesammelt werden. Ende des Jahres soll die Sonde zurück zur Erde fliegen, wo sie Ende 2020 erwartet wird.
So aufregend das Unterfangen klingt, es kann einiges schiefgehen, wie die Vorgängermission zeigte. Bei der Annäherung an den Asteroiden „Itokawa“ im Jahr 2005 war Hayabusa-1 in einen Sicherheitsmodus gegangen und hatte eher zufällig einige Körnchen eingesammelt, die wegen weiterer technischer Probleme mit der Sonde erst im Jahr 2010 zur Erde zurückkamen. Jetzt soll die Ausbeute etwas umfangreicher sein und schneller ins Labor kommen.

Bergbau-Euphorie ist verflogen

Auch das Nasa-Team hat mit Osiris-Rex eine Probenahme vorgesehen, allerdings erst für Juli 2020, wenn man sich sehr sicher ist, wo der beste Platz dafür ist. Ein meterlanger Ausleger soll mindestens 60 Gramm Material einsammeln. Die Technologie dafür könnte eines Tages auch für den Weltraum-Bergbau interessant werden. Der wissenschaftliche Leiter der Osiris-Rex-Mission, Dante Lauretta, ist ebenfalls im wissenschaftlichen Beirat der Firma Planetary Resources, die Rohstoffe auf anderen Himmelskörpern gewinnen möchte. Doch die anfängliche Euphorie ist unterdessen verflogen. Planetary Resources geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten und musste Stellen abbauen, berichtete das Magazin „Fortune“ im November. Lauretta sagte dem Magazin, dass er nach wie vor daran glaube, dass alle Probleme beim Asteroidenbergbau grundsätzlich lösbar seien. Aber er spricht mittlerweile auch nicht mehr davon, dass es im nächsten Jahrzehnt losgehen könnte, sondern nennt es nun ein Projekt, das mehrere Jahrzehnte erfordere.
Einen ähnlichen Zeitbedarf wird man auch für Methoden zur Asteroidenabwehr einplanen müssen. Einen Kollisionskandidaten mit atomaren Sprengköpfen zu bearbeiten, bringe wenig, sagt Jaumann. „Statt einem großen Körper fliegen dann viele kleine herum.“ Die bessere Methode sei es, die Bahn des Asteroiden zu beeinflussen, ihn abzulenken. „Dazu muss ich aber wissen, wie groß ist seine Dichte, wie ist der innere Aufbau, wie ist die Zusammensetzung.“ Danach ließe sich entscheiden, ob es besser sei, die Rotation zu bremsen, was ebenfalls den Kurs beeinflusst, oder ein Sonnensegel anzubringen oder mit einem Raumschiff anzudocken und ein sparsames Ionentriebwerk lange in eine bestimmte Richtung schieben zu lassen. „Lange schieben ist in jedem Fall wirkungsvoller als einen kurzen Impuls zu geben“, sagt Jaumann. Zwar gelten Bennu und Ryugu als erdnahe Asteroiden, eine Einschlagsgefahr gehe von ihnen jedoch nicht aus, ist der Forscher überzeugt.
Das könnte bei einigen anderen der 17 Millionen aber durchaus real werden. „Zumal wir über die Körper, die kleiner als ein Kilometer sind, nur sehr wenig wissen. Auch diese können bei einem Einschlag zumindest regional gravierende Folgen haben“, gibt der Wissenschaftler zu bedenken. „Man ist gut beraten, wenn man auf solche Dinge vorbereitet ist.“

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