Messungen nahe des supermassenreichen Schwarzen Loches in der Milchstraße bestätigen Einsteins Relativitätstheorie. Dabei hat dieser gar nicht an Schwarze Löcher geglaubt.

Eine Illustration der Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs im Herzen der aktiven Galaxie NGC 3783.

Ein Team von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik In Garching unter der Führung von Reinhard Genzel hat das Ergebnis eines neuen Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein veröffentlicht. Wie schon so oft hat auch in diesem Fall Einsteins Gravitationstheorie den Test glänzend bestanden. Und doch war es ein ganz besonderer Test: Zum ersten Mal überprüften die Wissenschaftler, ob die Allgemeine Relativitätstheorie auch in der Umgebung eines Schwarzen Lochs stimmt.

Die Existenz dieser bizarren Himmelskörper wurde 1916 von dem deutschen Astrophysiker Karl Schwarzschild vorhergesagt. Der Titel seiner Veröffentlichung „Über das Gravitationsfeld eines Massenpunktes nach der Einsteinschen Theorie“ weist unmissverständlich darauf hin, dass erst Einsteins Gleichungen ihm zu seiner überraschenden Erkenntnis verholfen hatten: In der Umgebung eines Körpers kann die Krümmung der Raumzeit so stark werden, dass nicht einmal Licht mehr entkommen kann. Dazu muss die Materie nur in einem genügend kleinen Raumgebiet zusammengepresst sein, dessen Größe von seiner Masse abhängt.

Einstein selber hielt diese Schlussfolgerungen aus seinen Gleichungen zwar für mathematisch korrekt, aber dennoch für Hirngespinste. Sein lebenslanges Credo blieb: „Schwarzschild-Singularitäten“, wie er Schwarze Löcher nannte, kann es in der Realität nicht geben. Wie tröstlich für uns Normaldenker: Selbst Genies werden manchmal von ihren Vorurteilen zu Fehlern verführt. Denn Schwarze Löcher gibt es. Eines von ihnen sitzt in der Mitte der Milchstraße. 

26 000 Lichtjahre von uns entfernt ist dort in einem relativ kleinen Raum mit einem Radius von nur 12 Millionen Kilometern Materie vereint, deren Masse 4 Millionen Mal größer ist als die Masse der Sonne. Verraten hat sich dieses Massemonster durch die hohen Geschwindigkeiten der Sterne, die man in seiner Umgebung beobachtet. Nur die starke Gravitation eines Schwarzen Lochs kann sie trotz ihren hohen Geschwindigkeiten auf ihren engen Kurvenbahnen halten.

Genau dieses Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße haben die Wissenschaftler nun als Testlabor benutzt, um die Gültigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie zu überprüfen. Dazu beobachteten sie 26 Jahre lang die Ellipsenbahn, auf der ein Stern namens S2 in jeweils 16 Jahren um das zentrale Schwarze Loch herumfliegt. Das ist einfacher gesagt als getan. Denn die Mitte der Milchstraße liegt verborgen hinter dichten Wolken aus Gas und Staub. Deshalb kann man mit Teleskopen, die nur sichtbares Licht auffangen, nicht erkennen, was im Zentrum der Milchstraße geschieht.

Vier Riesenteleskope gleichzeitig brauchten die Wissenschaftler

Infrarotes Licht dagegen kann die Staub- und Gaswolken durchdringen. Leider liefert infrarotes Licht aber wegen seiner größeren Wellenlängen ein unschärferes Bild als sichtbares Licht. Deshalb mussten die Wissenschaftler einen weiteren Trick anwenden, um die jeweiligen Positionen des Sterns S2 auf seiner Bahn so genau wie möglich feststellen zu können: Sie richteten die vier Riesenteleskope des „Very Large Telescope Arrays“, abgekürzt VLT, der Europäischen Südsternwarte auf dem Berg Paranal in Chile gleichzeitig auf den Stern S2.

Jedes dieser Teleskope hat einen Durchmesser von 8,2 Metern. Wenn man die 4 Einzelbilder dieser Spiegel-Teleskope kombiniert, erhält man ein sogenanntes Interferometer. Mit diesem technisch sehr aufwändigen Verfahren erhält man so scharfe Bilder, als hätte man sie mit einem einzigen Teleskop aufgenommen, das jedoch einen Durchmesser von 130 Metern hat.

In der Nähe des Schwarzen Loches wurde der Stern immer schneller

Im Mai dieses Jahres beobachteten die Forscher mit diesem interferometrischen Superteleskop, wie der Stern S2 auf seiner Ellipsenbahn dem Schwarzen Loch in der Milchstraßenmitte immer näherkam. Gleichzeitig wurde der Stern, der zunehmenden Gravitation entsprechend, immer schneller. Bei seiner größten Annäherung betrug der Abstand von S2 zum Schwarzen Loch „nur“ noch 20 Milliarden Kilometer. Dies entspricht etwa dem 130fachen Abstand der Erde von der Sonne oder dem 4fachen Abstand des Planeten Neptun von ihr.

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Im schwarzlochnächsten Punkt war die Geschwindigkeit von S2 angewachsen auf mehr als 25 Millionen Kilometer pro Stunde. Das sind immerhin schon fast 3 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. „Auf diesen Moment haben wir uns mehrere Jahre lang intensiv vorbereitet und unser Instrumentarium verbessert, weil wir diese einzigartige Gelegenheit bestmöglich ausnutzen wollten, um die Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie zu beobachten“, beschreibt Reinhard Genzel diesen Höhepunkt des Gemeinschaftsprojektes vieler Wissenschaftler, auf das sie 26 Jahre hingearbeitet hatten.

Vor allem um einen der Effekte ging es ihnen dabei, mit denen die Einsteinsche Relativitätstheorie überprüft werden kann und der vorher noch nie in der Umgebung eines Schwarzen Lochs gemessen werden konnte: In der Einsteinschen Beschreibung der Gravitation drückt das Schwarze Loch gleichsam eine tiefe Mulde in die Raumzeit hinein. In dieser Mulde fliegt auch S2 um das Schwarze Loch herum. Wie jeder Stern strahlt auch S2 Licht ab. Doch um in den Weltraum hinauszugelangen muss das Sternenlicht zunächst gegen die Anziehungskraft des Schwarzen Lochs ankämpfen. Oder mit den Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben: Es muss aus der raumzeitlichen Mulde des Schwarzen Lochs herauskommen.

Dabei verliert das Licht an Energie. Dies zeigt sich daran, dass seine Wellenlängen größer werden. Übersetzt in die entsprechende Farbe heißt das: Nach dem Verlassen der Raumzeit-Mulde ist das Sternlicht etwas gerötet. Mit den Einsteinschen Gleichungen kann man genau berechnen, wie stark diese Rotverschiebung des Lichts sein sollte.

Die Messergebnisse sind eindeutig: Das Licht des Sterns S2 aus der Umgebung des Schwarzen Lochs in der Milchstraßenmitte kommt mit genau den Wellenlängen bei uns an, wie es ihre gravitative Rotverschiebung laut Einstein erwarten lässt. Wieder einmal konnte gezeigt werden, dass die Allgemeine Relativitätstheorie stimmt. Doch dieses Mal wurde sie ausgerechnet durch einen Effekt bestätigt, der von einem Schwarzen Loch verursacht wird, einem jener Himmelskörper also, deren Existenz Einstein stets verneint hatte.

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