Synthetisch produzierte Mini-Menschen – noch ist das eine Zukunftsvision. Doch über jüngste Forschungsergebnisse muss gestritten werden. Ein Kommentar.

Aus Stammzelllinien (hier von der Maus) können Forscher Gebilde formen, die sich schon fast wie normale Embryonen verhalten und…

Es ist ein Rezept, das die Menschwerdung auf den Kopf stellen könnte: Man nehme ein paar Stammzellen, aus denen alle Gewebe des menschlichen Körpers heranwachsen können. Dann träufele man hier ein paar Wachstumshormone dazu und stimuliere dort die Stammzellen mit geeigneten Gewebezuchttricks – und am Ende schwimmt in der Kulturschale ein menschlicher Embryo. Ein synthetisch produzierter Mini-Mensch. Ein Homunkulus.

Noch ist dieses Szenario eine Zukunftsvision – die allerdings bald Realität werden wird. Darauf weist ein gutes Dutzend von Wissenschaftlern hin, die an solchen Techniken zur „Embryozucht“ forschen. Im Fachblatt „Nature“ rufen sie die Gesellschaft dazu auf – nein, sie „drängen“ sogar darauf – sich ungeachtet des noch fehlenden letzten Schrittes zum Kunst-Embryo schon jetzt zu überlegen, welche Regeln für künstliche Embryonen gelten sollten. Und sie empfehlen, dabei die „Intention der Forschung als das entscheidende ethische Kriterium“ für die Regulierung zu berücksichtigen.

Dass sie damit positive, der Gesellschaft dienende und nützliche Beweggründe meinen, liegt auf der Hand: Wie geschaffen wären Kunst-Embryonen, um die frühe embryonale Entwicklung des Menschen studieren und bessere Therapien zur Behandlung von Unfruchtbarkeit oder umgekehrt bessere Verhütungsmittel entwickeln zu können. Mehr Forschung, mehr Wissen, mehr Therapien. Bislang können Forscher dafür nur die wenigen „echten“ Embryonen verwenden, die etwa nach künstlichen Befruchtungsversuchen übrig bleiben – wenn ihnen das erlaubt wird.

Heiligt der Zweck die Mittel?

Es gibt ohne Frage gewichtige Forschungs- und Medizin-Ziele. Aber heiligt der Zweck das Mittel: das Schaffen künstlichen, menschlichen Lebens eigens zum Zwecke der Forschung? Und eröffnet die Technik der Embryozucht, ist sie erst einmal in der Welt, nicht auch Missbrauchsmöglichkeiten? Wer verhindert etwa, dass gewissenlose Ärzte die Kunst-Embryonen Frauen einsetzen? Eine internationale Instanz, die eine Ächtung auch durchsetzen könnte, gibt es nicht.

Ohnehin ist es schwierig zu bewerten, wo Missbrauch anfängt und wo Forschung aufhören muss: Wollen wir erlauben, Zigtausende menschliche Kunst-Embryonen im Labor heranzuzüchten, um etwa die Nebenwirkungen von Medikamenten zu testen, die schwangere Frauen einnehmen? Das ist eine gute Intention, weil es letztlich Schwangere und deren ungeborenes Leben schützt. Das wäre also akzeptabel für all jene, die in einem Embryo noch keinen Menschen sehen, für die das Menschsein erst mit der Entwicklung eines menschlichen Gehirns oder nach der Einnistung in die Gebärmutter beginnt.

Aber tausendfache Experimente an menschlichen Embryonen wären eine grauenvolle Vorstellung für all jene, die menschliches Leben schon unmittelbar nach der Befruchtung und lange vor der Einnistung in die Gebärmutter für schützenswert halten. Das zeigt: Hier geht es nicht allein um die übliche Abwägung von Chancen und Risiken einer Technik, sondern um die Essenz des Menschlichen: Ist das, was da im Labor wächst, nun „menschlich“ oder nicht? Und dürfen wir – was immer es ist – damit forschen? Allein kann das niemand beantworten. Gesellschaften werden darüber unterschiedlich urteilen. Aber zuerst muss darüber gestritten werden. Jetzt.

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