Im Kongo wurden bereits 90.000 Menschen mit einem experimentellen Impfstoff immunisiert. Der scheint zu wirken – aber die Lage ist nach wie vor bedrohlich.

Ein medizinischer Helfer in einem Behandlungszentrum für Ebola im kongolesischen Beni

Er ist noch nicht zugelassen und hat doch schon unzählige Menschenleben gerettet: Die Impfstoff rVSV-ZEBOV scheint hoch effektiv gegen das tödliche Ebola-Virus zu wirken. Das bestätigen neue Untersuchungen, für die Forscher den Einsatz der Vakzine bei Ausbrüchen der Krankheit in der Demokratischen Republik Kongo analysiert haben.

Der experimentelle Impfstoff wurde bereits 2014 gegen Ende der verheerenden Ebola-Epidemie in Westafrika, bei der 11.000 Menschen starben, eingesetzt, nachdem er im Tierexperiment eine sehr gute Schutzwirkung gezeigt hatte. Jeder, der ihn damals bekommen hatte, blieb von Ebola verschont. Als die Krankheit im April vergangenen Jahres im Nordwesten des Kongo erneut ausbrach, entschied die WHO, wieder rVSV-ZEBOV einzusetzen.

Damals gelang es durch rasches und koordiniertes Eingreifen, den Ausbruch schnell einzudämmen. 54 Fälle wurden bekannt, 33 Menschen starben. Schon im Juli wurde er für beendet erklärt. Im Fachblatt „PNAS“ berichten Forscher um Chad Wells von der Yale School of Public Health nun, dass der schnelle Erfolg im Nordwest-Kongo maßgeblich darauf zurückzuführen sein dürfte, dass man bereits zwei Wochen nach Bekanntwerden des Ausbruchs mit den Impfungen begann.

Die Ringimpfung als wichtiger Faktor

Mit einem eigens entwickelten Ausbreitungsmodell untersuchten Wells und seine Kollegen, wie sich die schnelle Impfung auf das Infektionsrisiko auswirkte. Dafür kombinierten die Wissenschaftler die Faktoren Armut sowie Dichte und Mobilität der Bevölkerung und verglichen das Modell mit einem Szenario ohne Impfkampagne.

Nach ihren Berechnungen reduzierte die Impfung sowohl den geografischen Bereich, in dem ein Risiko für eine Ebola-Infektion bestand, als auch die Wahrscheinlichkeit für die Übertragung um mehr als 70 Prozent. „Wäre die Impfung auch nur eine Woche später gestartet, hätte sich der riskante Bereich nur um 33 Prozent und die generelle Infektionswahrscheinlichkeit um nur 45 Prozent reduziert“, schreiben die Forscher.

Ein wichtiger Faktor war demnach auch das Verfahren, wie der Impfstoff eingesetzt wurde: die Ringimpfung. Dabei ermitteln Gesundheitsmitarbeiter die Kontaktpersonen von Menschen, die mit Ebola infiziert sind, sowie Menschen, die wiederum mit diesen Kontaktpersonen in Berührung gekommen sind. Fast 3800 dieser so identifizierten Erst- und Zweitkontakte (sozusagen Ringe um die Patienten herum) wurden bei dem Ausbruch im Frühjahr 2018 sofort geimpft. Keine einzige dieser Personen infizierte sich anschließend mit Ebola. Die Forscher folgern daraus, dass die schnelle und koordinierte Antwort nach dem Ausbruch essentiell für dessen Eindämmung war.

Mehr als 90.000 Impfungen seit August 2018

Genau diese schnelle Antwort aber ist in den Kongo-Provinzen Nord-Kivu und Ituri nicht möglich. Dort wütet das Virus seit August 2018 und ist noch immer nicht unter Kontrolle. Nach Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO sind bis zum 27. April 2019 bereits mehr als 1400 Menschen an dem Fieber erkrankt und 931 gestorben. In der Region im Osten des Landes tobt ein bewaffneter Konflikt, zudem kommt es immer wieder zu Übergriffen auf Helfer und Behandlungszentren. Gesundheitsmitarbeiter haben zu vielen Dörfern keinen Zugang, was die Nachverfolgung von Erkrankten und deren Kontaktpersonen erschwert.

Aber auch wenn die Bedingungen vielerorts katastrophal sind, wären wohl ohne den Impfstoff inzwischen weit mehr Menschen an Ebola gestorben. Das zeigt ein vorläufiger Bericht der WHO und des Nationalen Forschungsinstituts der Demokratischen Republik Kongo (hier als PDF), in den Daten vom 1. August 2018 bis zum 25. März 2019 einflossen.

Demnach sind in diesem Zeitraum mehr als 90.000 Personen gegen Ebola geimpft worden. Um die Wirksamkeit der Impfung zu beurteilen, werteten die Forscher die Zahl der Erkrankungen bei den Kontaktpersonen von Patienten aus und verglichen sie mit der von ungeimpften Risikopersonen. Daraus errechneten sie eine sehr gute Wirksamkeit der Vakzinierung von 97,5 Prozent.

Wirksamer Schutz erst nach zehn Tagen

Schon vorher wurde angenommen, dass die Impfung etwa zehn Tage benötigt, um ihre Wirkung zu entfalten. Das bestätigte sich in der Studie. Von den 57 Personen, die innerhalb von zehn Tagen nach der Impfung Ebola-Symptome entwickelten, starben neun. Im Gegensatz dazu überlebten alle 15 Geimpften, bei denen frühestens nach zehn Tagen Ebola-Zeichen auftraten.

Außerdem erhöhe sich durch die Impfung sogar die Überlebenswahrscheinlichkeit bereits infizierter Personen. Das sei besonders wichtig, da es bisher immer noch keine zugelassene Behandlungsmethode gegen Ebola gibt.

Zwar räumen die Forscher ein, dass es sich bei ihrer Analyse lediglich um eine Beobachtungsstudie handelt, bei der es zu Verzerrungen kommen könne. Trotzdem legt die vorläufige Auswertung nahe, dass die Impfung so wirksam sein könnte wie nach den ersten Studien angenommen.

Die WHO hatte als Konsequenz des Ebola-Ausbruchs in Westafrika 2013 Studien zur Testung potenzieller Impfstoffkandidaten angeordnet. Als am vielversprechendsten gilt die Vakzine rVSV-ZEBOV. Es handelt sich dabei um einen Lebendimpfstoff, der schon 2003 von Forschern des Nationalen Mikrobiologischen Labors in Winnipeg (Kanada) entwickelt wurde. Dementsprechend war er zum Zeitpunkt des Ebola-Ausbruchs in Westafrika in seiner Testung schon am weitesten fortgeschritten. Die neuesten Daten scheinen die Wahl der Immunisierung zu bestätigen. Demnächst wollen die Forscher ihre Ergebnisse in einem Fachmagazin veröffentlichen.

Um sie zu schützen, muss man die Menschen erreichen

Trotz dieser positiven Nachrichten sieht die Realität im Kongo derzeit aber noch anders aus. Die Zahl der Ebola-Infektionen ist nach wie vor auf einem hohen Niveau, auch wenn sie nach einem Rekord Ende März zuletzt wieder etwas niedriger war. Bisher hat sich das Virus noch nicht auf die Nachbarländer ausgebreitet, aber die Möglichkeit besteht weiterhin.

Mitte April hatte die WHO verkündet, dass die Epidemie im Kongo keinen globalen Gesundheitsnotstand darstelle. Daraufhin hatte die Organisation Ärzte ohne Grenzen „bessere gemeinsame Anstrengungen“ gegen die Epidemie gefordert. „Wir müssen die Art und Weise, wie wir ihr begegnen, radikal ändern“, sagte Gwenola Seroux, Leiterin der Ebola-Nothilfe von Ärzte ohne Grenzen. Man müsse die Maßnahmen gegen die Krankheit in das lokale Gesundheitssystem integrieren und besser mit der Bevölkerung vor Ort zusammenarbeiten.

Auch die WHO schreibt in ihrem aktuellen Bericht zur Lage im Kongo, es brauche es vor allem gesellschaftliches Engagement, um weitere Attacken auf Helfer und Gesundheitsmitarbeiter zu verhindern. Schließlich muss man Menschen, um sie mit einer Impfung vor Ebola schützen zu können, erst einmal erreichen.

Es ist also noch viel zu tun. Und trotzdem machen die neuen Daten Hoffnung. Hoffnung, dass eine einzelne Impfstoffdosis ein wirksames Mittel gegen Ebola-Epidemien sein kann. Wenn man es schafft, Kontaktpersonen von Patienten ausfindig zu machen und nachzuverfolgen. Denn, auch wenn die Situation eine andere ist: Die Methode der Ringimpfung wurde schon einmal äußerst erfolgreich angewendet: bei der Ausrottung der Pocken.

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