Das erste Spenderherz in Deutschland schlug nur für kurze Zeit. Inzwischen ist die Medizin deutlich weiter, aber ein großes Problem bleibt bestehen.

Die Chirurgen Rudolf Zenker, Werner Rudolph und Werner Klinner (v.l.) bei der Pressekonferenz nach der ersten Herztransplantation…

Am 14. Februar 1969 tritt der Münchner Arzt Rudolf Zenker kurz angebunden vor die Presse. Er verliest eine Stellungnahme. Die Operation, die er und seine Kollegen am Tag zuvor gewagt hatten, sei ein Misserfolg gewesen, sagt er, und verlässt den Saal. Sein Patient war gestorben. Es war nicht irgendeine OP, sondern die erste Transplantation eines Herzens von Mensch zu Mensch in Deutschland.

27 Stunden nach der OP war der erste Patient tot

Man hatte sich Zeit gelassen in Deutschland. Anderswo hatte es nach der weltweit ersten solchen Operation durch Christiaan Barnard in Kapstadt am 3. Dezember 1967 eine, wie es die New York Times nannte, wahre „Epidemie“ von Herztransplantationen gegeben. Mehr als 100 Transplantationen wurden schon 1968 versucht. Die meisten Patienten überlebten nicht lange, manche sogar deutlich kürzer als Zenkers Patient in München heute vor 50 Jahren.

„Es war alles sehr früh“, sagt Bruno Reichart über den ersten Versuch in Deutschland. Er war 1971 Assistent bei Zenker und wurde Mitte der 1980er-Jahre in Kapstadt Nachfolger von Barnard. „Man muss dem Schritt großen Respekt zollen, dass man es gemacht hat“, sagt Reichart. Die Ärzte hätten nichts falsch gemacht. Sie seien bestens vorbereitet gewesen. „Es war für sie schwer zu verkraften. Sie haben nicht gern darüber gesprochen“, erinnert er sich.

Die Chirurgen Werner Klinner und Fritz Sebening hatten die OP mit einem 30-köpfigen Team unter Zenkers Leitung akribisch geplant. Der 36-jährige Patient war todkrank. Der komplizierte Eingriff glückte. Doch das fremde Herz pumpte nicht richtig. Es stammte von einer tödlich verunglückten 39-Jährigen und war – für die Ärzte damals nicht feststellbar – bei dem Unfall verletzt worden. Die Obduktion nach der gescheiterten Operation ergab, dass sich an einem kleinen Riss in der hinteren Herzkranzarterie ein Blutpfropf gebildet hatte, der – nur 27 Stunden nach der OP – zum Tod des Herzpatienten führte.

Jahrelang wurde in Deutschland kein Herz transplantiert

In Deutschland starben auch der zweite und dritte Patient nach der Transplantation. Auch weltweit waren die Ergebnisse in den Anfangsjahren niederschmetternd. Nur ein Patient, operiert von Barnard, erlebte den Jahrestag der OP. Und das, obwohl Herztransplantationen rein technisch nicht zum Schwierigsten gehörten, was die Chirurgie zu bieten hatte.

Das größte Problem bereitete den Ärzten das Immunsystem. Die Abstoßungsreaktion zwischen Spenderorgan und Empfängerorganismus in den Griff zu bekommen, war in den Anfangsjahren extrem schwierig. Das konnte so weit gehen, dass Patienten so viele Medikamente bekamen, die das Abwehrsystem unterdrückten, dass sie, wie Barnards erster Patient, an einer Infektion starben. Sehr wenige Ärzte, unter ihnen Barnard und der US-Chirurg Norman Shumway, operierten weiter, mit leicht steigendem Erfolg. Die meisten schreckten zurück.

Der Münchner Herzchirurg Rudolf Zenker bei einer Presseerklärung zur ersten Herztransplantation in der Bundesrepublik vom…

In Deutschland griff nach mehrjähriger Pause im Mai 1981 ein Team um den Münchner Chirurgen Fritz Sebening als erstes wieder zum Skalpell. Neue Medikamente wie Ciclosporin, die zur Vermeidung der Abstoßung nicht mehr das komplette Immunsystem blockierten, brachten nun bessere Erfolge. 1983 nahm Reichart in München die erste Herz-Lungen-Transplantation in Deutschland vor. 1997 verpflanzte er erstmals bundesweit Herz, Lunge und Leber gleichzeitig. Die Patientin lebte danach elf Jahre – ein Beleg für die Fortschritte in der Transplantationsmedizin.

„Wir akzeptieren heute Organe, die wir vor 20 Jahren nicht akzeptiert hätten“

Inzwischen ist die Herztransplantation eine anerkannte Behandlung für schwerkranke Menschen. Im vergangenen Jahr transplantierten Ärzte hierzulande laut Deutscher Stiftung Organtransplantation 318 Herzen. Nach jahrelang sinkenden Zahlen – vor allem nach dem Organspendeskandal 2012 – bedeutet das zum ersten Mal wieder eine Zunahme. Trotzdem sind die Wartelisten lang, aktuell hoffen etwa 700 Patienten in Deutschland auf ein neues Herz.

Volkmar Falk, Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums Berlin, sieht das größte Problem nach wie vor in der Spendebereitschaft. „Weil viele Menschen bei der aktuellen Regelung nicht aktiv zustimmen, stimmen sie passiv mit Nein“, sagte Falk dem Tagesspiegel. Deshalb plädiere er für eine Widerspruchslösung. In Ländern mit dieser Regelung sei die Spendebereitschaft nachweislich höher. Und die geringe Zahl an Spendern habe Folgen: „Wir akzeptieren heute zum Beispiel Organe von älteren Spendern, die wir vor 20 Jahren nicht akzeptiert hätten“, sagte Falk. „Einfach weil die Organe so knapp sind.“

Das sei nur möglich, weil man die Patienten dank aufwendiger Intensivtherapie, besserer Narkoseführung und der Einbindung von Infektiologen besser managen könne. Auch die Medikamente, die das Immunsystem hemmen, seien weiter verbessert worden, und mit neuen Verfahren können die Organe während des Transports besser geschützt werden.

Nach einem Jahr schlagen noch etwa 80 bis 90 Prozent der Herzen im Empfänger, nach zehn Jahren etwa 60 Prozent, sagt Falk. „Wenn man bedenkt, dass die Menschen ohne neues Herz gestorben wären, sind das sehr gute Zahlen.“

Ein Ersatzherz im Rucksack

Währenddessen hat die Forschung vergangenes Jahr einen Meilenstein erreicht. Bruno Reichart und seinem Team gelang es, ein genetisch manipuliertes Schweineherz sechs Monate lang in einem Pavian schlagen zu lassen. „Damit hat man erstmals einen Zeitraum erreicht, der überhaupt daran denken lässt, dass die Technik einmal beim Menschen eingesetzt werden könnte“, so Falk. Bis solche klinischen Studien am Menschen beginnen, werde es aber laut Reichart noch mindestens drei Jahre dauern.

In Berlin arbeitet man derweil an der Weiterentwicklung einer anderen Art von Herzersatz: Kunstherzsysteme. 150 solcher batteriebetriebenen Zentrifugalpumpen, die Patienten in einem Rucksack mit sich herum tragen können, werden pro Jahr im Deutschen Herzzentrum Berlin bei Patienten eingebaut. „Wir hoffen, damit dauerhaft eine Alternative zur Herztransplantation entwickeln zu können“, sagte Falk. (mit dpa)

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