EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU): „Wir sind gegen ein Verbots-Europa“ +++ Sozialdemokrat rudert ein Stück zurück

Die Spitzenkandidaten für die Europawahl sind sich beim Ziel einig: Schluss mit Kurzstreckenflügen, denn sie sind schlecht für das Klima!

Im TV-Duell der EU-Spitzenkandidaten forderte Frans Timmermans (europäische Sozialdemokraten) am Donnerstag explizit ein Verbot von Kurzstrecken-Flügen. Sein konservativer Gegner Manfred Weber will die Kurzstrecke zwar nicht per Gesetz abschaffen, aber auch er will den Flug-Verkehr durch attraktivere Bahn-Angebote auf die Schiene verlagern.

Doch was heißt das überhaupt? Welche Flüge wären betroffen? Wie viele Kurzstreckenflüge gibt es bisher überhaupt?

Laut einer aktuellen BILD-Umfrage sind von mehr als 54 000 Teilnehmern 62 Prozent gegen ein Verbot von Kurzstreckenflügen (Stand Freitag, 18 Uhr).

Was gilt als Kurzstreckenflug?

Laut Fluggastrecht-Verordnung der EU sind Kurzstreckenflüge alle Flüge bis 1500 Kilometer. Damit wären alle innerdeutschen Flüge betroffen. Je nach Abflugort wären auch Flüge zu europäischen Zielen wie Paris, Warschau oder Madrid verboten.

In der TV-Diskussion wurden als Beispiel die Verbindungen von Frankfurt nach Stuttgart genannt. Was wäre also, wenn alle innerdeutschen Flüge verboten wären?

Was wollen Weber und Timmermans genau?

Welche Arten von Kurzstrecke meint Timmermans und ab wann will er sie verbieten? Als BILD nachhakte, ruderte der Niederländer ein Stück weit zurück: „Es ist noch zu früh, über bestimmte Entfernungen und Fristen zu sprechen“, sagte sein Sprecher zu BILD. Erst müssten die Folgen abgewogen werden. Timmermans habe zudem deutlich gemacht, dass erst „bessere Bahnverbindungen“ geschaffen werden müstsen.

Sein Konkurrent Manfred Weber (CSU) von der Europäischen Volkspartei stimmt in diesem Punkt überein, sagte zu BILD: „Die Bahn muss konkurrenzfähiger werden gegenüber sehr kurzen Flügen und braucht faire Bedingungen.“

ABER: „Der Vorschlag eines gesetzlichen Verbots von Kurzstreckenflügen ist typisch für den Ansatz der Sozialdemokraten. Wir sind für ein innovatives Europa, kein Verbots-Europa.“

Benachteiligung der Bahn beenden

Ein möglicher Weg: Die EVP will Flüge nicht verbieten, sondern teurer machen – durch Emissionshandel.

Der Flugverkehr sei zwar schon seit 2012 in den Emissionshandel einbezogen, Fluggesellschaften müssten allerdings nur 15 Prozent der Zertifikate kaufen, erklärt der umweltpolitische Sprecher der EVP, Peter Liese (CDU), auf BILD-Anfrage. „85 Prozent erhalten sie kostenlos. Dies ist eine große Ungerechtigkeit, insbesondere gegenüber der Bahn. Die Bahn braucht im Wesentlichen Strom und der ist zu 100 Prozent in den Emissionshandel einbezogen.“

Mehrerlöse beim Emissionshandel sollen nach Vorstellungen der EVP umweltverträglichen Alternativen wie Bahn und Bus zugutekommen.

„Timmermans-Vorschlag radikaler als Position der Grünen“

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Liese hält den Timmermans-Plan für überzogen: „Die Forderung von Herrn Timmermans nach einem Verbot ist radikaler als die Position der Grünen. Die haben im März beantragt, dass ein Konzept erarbeitet wird, das Flüge mit einer Distanz unter 1000 Kilometern verhindert, ohne sie jedoch zu verbieten. Innerhalb der EVP geht vielen die Distanz von 1000 Kilometern zu weit. Damit wäre zum Beispiel ein Flug von Frankfurt nach Rom betroffen.“

▶︎ Die Grünen warfen Timmermans dagegen vor, erst kurz vor der Europawahl beim Klimaschutz aufzuwachen. „Interessant, was konservative und sozialdemokratische Kandidaten während des Wahlkampfes alles tun, um beim Thema Klimaschutz hinterher zu hecheln“, sagte der Fraktionsvize im Bundestag, Oliver Krischer, der „Berliner Morgenpost“.

▶ ︎FDP-Chef Christian Lindner kritisierte dagegen: „Verbote sind die einfallsloseste Form von Klimapolitik. Mit immer mehr Verboten wird man das Klima nicht retten, sondern nur die Menschen verärgern, weil alles teurer und unfreier wird.“

Wie viele Passagiere gibt es bei innerdeutschen Flügen?

Laut dem Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e. V. waren es im Jahr 2018 24 Millionen Passagiere auf innerdeutschen Flügen. Damit war nur etwa jeder zehnte Flug innerdeutsch, der Rest ging ins Ausland. Generell lässt die Nachfrage für innerdeutsche Strecken nach. Gut 17 Prozent der Verbindungen innerhalb Deutschlands waren Strecken, die kürzer als 400 Kilometer sind. Zweidrittel der Passagiere nutzen die Flüge als Geschäftsreise.

Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e.V. (BDL), zu BILD: „Die Anzahl der innerdeutschen Flüge ist in den letzten Jahren bereits deutlich zurückgegangen. Und die noch angebotenen Flüge bedienen nur größtenteils längere Stecken oder sind Zubringerflüge zu internationalen Verbindungen über die deutschen Drehkreuze. Ein Verbot dieser Verbindungen würde nur dazu führen, dass etwa Umsteiger dann über die Drehkreuze in Amsterdam, Istanbul oder Dubai fliegen – das hilft dem Klima leider auch nicht.“

Welche Flugstrecken sind schon eingestellt?

Manche Flugstrecken in Deutschland sind heute schon Geschichte.

▶︎ Nach der Eröffnung der Schnellbahnstrecke Frankfurt-Köln wurden Direktflüge zwischen den Städten eingestellt.

▶ ︎Gleiches gilt auch für die Strecke Berlin–Hamburg.

▶ ︎Für die Sommermonate setzt die Airline Eurowings außerdem die Strecke Leipzig–Köln aus

  • EU-Spitzenkandidaten

    Kurzstreckenflüge sollen abgeschafft werden

    Klimaschutz ist DAS Wahlkampfthema für die Europawahl! Und deshalb gibt es jetzt auch deutliche Ansagen der Spitzenkandidaten.

Welche Politiker fordern noch das Aus für kurze Flüge?

Vor allem Umweltschutz-Organisationen kritisieren die Flüge schon seit Jahren. Im April stimmte auch Grünen-Vorsitzender Robert Habeck in die Kritik ein und forderte in einem Interview mit „Welt am Sonntag“: „Flüge zwischen Städten, die einander so nah sind, dass sie genauso schnell mit der Bahn erreicht werden können, brauchen wir auch nicht.“ Außerdem sprach sich Habeck für eine Kerosin-Steuer aus.

Auch die bayrische Landtags-SPD kritisiert die Zahl der Kurzstreckenflüge von und nach München. 29 Prozent der Flüge pro Jahr gingen zu Zielen in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, kritisierte der SPD-Umweltexperte Florian von Brunn am Mittwoch in München. Er forderte: „Diese Kurzstreckenflüge können und müssen aus Klimaschutzgründen so weit wie irgend möglich auf die Bahn verlagert werden.“

In der Schweiz ist man dagegen schon einen ganzen Schritt weiter: Am Donnerstag beschloss das Kantonsparlament von Basel, dass Regierungsräte und Verwaltungsmitarbeiter künftig bei Strecken unter 1000 Kilometer nicht mehr fliegen dürfen.

Was sagt die Bundesregierung?

Das Umweltministerium ist in Sachen Flugverboten bislang eher zurückhaltend: Auf Anfrage der Zeitung „Der Freitag“ antwortete die Behörde: „Ein Verbot von nationalen Kurzstreckenflügen hätte auf die Gesamtklimabilanz keine durchschlagende Wirkung.“ Die Gründe: Der Anteil des nationalen Luftverkehrs an den Gesamtemissionen des Verkehrs in Deutschland sei relativ gering. Außerdem würde der Umstieg auf andere Verkehrsmittel die Werte kaum senken.

Auf die Kritik an Kurzstreckenflügen hatte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im vergangenen Oktober reagiert und zusammen mit Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zum ersten „Luftfahrt-Gipfel“ eingeladen. An dem Treffen nahmen neben Vertretern der Airlines Lufthansa, Eurowings, Tui und Condor auch Minister der Landesregierungen Hessen und NRW Teil.

„Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, Kurzstrecken- und Zubringer-Flugverkehr auf die Schiene zu verlagern“ und die „Anbindung der wichtigen internationalen Verkehrsflughäfen zu verbessern“, hieß es in der Abschlusserklärung.

Im April legte Scheuer noch einmal nach und schlug vor, die Mehrwertsteuer von Fernverkehr-Tickets von 16 auf sieben Prozent zu senken. Das würde auch die Nachfrage an Kurzstreckenflügen senken.

Im Interview mit BILD Mitte April begründete der Verkehrsminister seinen Vorstoß mit dem Erfolg der 2017 eröffneten ICE-Strecke Berlin-München: „Wir haben auf dieser Strecke schon 30 Prozent der Passagiere vom Inlandsflug zum Umstieg auf die Schiene bekommen. Zwischen Hamburg und Berlin fliegt quasi niemand mehr, weil die Bahnverbindung attraktiv ist.“

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