Vor gar nicht langer Zeit hätte das wohl jeder für einen Witz gehalten: Ein Start-up aus Kalifornien, spezialisiert auf den Bau von Elektro-Wagen, mehr wert als eines der renommiertesten Unternehmen der wichtigsten deutschen Vorzeigebranche und Hersteller von Auto-Edelmarken?

Jetzt grinst niemand mehr, besonders nicht in „Germany“: Die vom exzentrischen Elon Musk geführte Firma Tesla (E-Autos, Solar- und Batterien-Produkte) hat mit einem Börsenwert von umgerechnet 51 Mrd. Euro BMW überholt (liegt bei 49 Mrd. Euro).

Dabei könnte man beim Produktionsvolumen von einem Duell zwischen David und Goliath sprechen: Aus den Fertigungshallen von Tesla rollen pro Jahr 360 000 Vehikel, BMW produziert über alle dazugehörigen Marken mehr als zwei Millionen Fahrzeuge.

Doch die „Wetten vieler Investoren auf die Zukunft“, so das Branchen-Portal „electrec“ trieben zuletzt die Tesla-Aktienpreise auf Rekordniveau: Teslas Model 3, der erste Volksstromer mit erschwinglicherem Preis, mischt bereits den Markt luxuriöserer Mittelklassewagen auf – und setzt auch BMW in den USA massiv zu. Im dritten Quartal hatte Musks Kult-Firma in Amerika die stolzen deutschen Autobauer fast eingeholt: BMW verkaufte 71 679 Wagen (Tendenz: fallend), Tesla 64 727 E-Autos (Tendenz: steigend).

  • Gegen US-Börsenaufsicht

    Tesla-Boss sorgt mit Pöbel-Tweet für Furore

    Elon Musk teilt erneut gegen die Börsenaufsicht SEC aus – diesmal mit einem provokanten Wortspiel bei Twitter.

Der US-Chef des Münchner Konzerns, Bernhard Kuhnt, musste eingestehen: „Tesla setzt uns unter Druck.“ BMW kann Musk kaum mit eigenen Waffen schlagen: Weiterhin ist der einzige Elektro-BMW am Markt der i3, der im Vergleich zu den schneidigen Teslas eher ein Schattendasein führt.

Der Aufstieg Teslas ist umso erstaunlicher, da Musk zuletzt eher durch Murks und fast psychopathisches Verhalten auffiel:

▶︎ Einen britischen Heldentaucher, der in Thailand half, die Fußballjungs aus der Horror-Höhle zu befreien, beschimpfte er als „Pädophilen“.

▶︎ Dann twitterte er aus heiterem Himmel, Tesla zu einem Aktienpreis von 420 Dollar von der Börse nehmen zu wollen, offenbar nur, wie sich später herausstellte, um seiner Freundin, der Sängerin Grimes, zu imponieren (420 ist ein Symbol in der KifferSzene). Die Börsenaufsicht SEC verhängte eine Geldbuße von 20 Millionen Dollar, Musk musste dazu seinen Sessel im Aufsichtsrat räumen.

▶︎ Immer wieder geistern Insider-Reports durch die US-Medien über Medikamenten-Missbrauch (besonders das Schlafmittel Ambien) sowie Chaos im Top-Management samt dem Abgang mehrerer Spitzenkräfte. Zu allem Überdruss qualmte er auch noch während einer Radio-Show einen fetten Joint.

Tesla könnte Autobranche dauerhaft aufwirbeln

Doch gleichzeitig liefert der narzisstische Chaos-CEO auch: Tesla erreichte die angekündigten ehrgeizigen Produktionsziele beim wichtigsten Produkt, dem Model 3: 53 239 Wagen wurden im dritten Quartal gefertigt, „Forbes“ rechnet, dass die Stückzahl dieses Quartal auf bis zu 80 000 Vehikel gesteigert werden kann.

Tesla baut plötzlich so viele Autos, dass der Konzern wegen rudimentärer Infrastruktur mit der Auslieferung kaum nachkommt (Musk selbst hatte, freilich eher als PR-Stunt, höchstpersönlich E-Autos zu Kunden gefahren …).

Musk schaffte im letzten Quartalsbericht sogar einen Profit – nach Jahren teils astronomischer Verluste. Mit Tesla läuft es auf einmal so rund, dass selbst einige Spekulanten, die mit Aktien-Leerverkäufen auf den Untergang gewettet hatten, öffentliche Mea culpas abliefern.

Andrew Left von der Finanzfirma Citron Research, der Tesla sogar einmal verklagt hatte, kam plötzlich aus dem Schwärmen nicht mehr heraus: Musk würde die „Konkurrenz gerade pulverisieren“, klatschte der Analyst. Seither wird die Aktie mit einer Verkaufsempfehlung angepriesen, nach Jahren einer „Sell!“-Hysterie. In einem Strategiepapier für Anleger verwies Left zudem auf die deutschen Luxus-Marken BMW und Mercedes-Benz, „die scharenweise Kunden an Tesla verlieren“, wie er festhielt.

Auch andere frühere Skeptiker glauben jetzt: Tesla hat das Potenzial, der gesamten Autobranche eine Disruption zuzufügen.

Flaute bei BMW

Trist hingegen wirkt die Lage bei BMW! Das Paradeunternehmen legte gerade enttäuschende Quartalszahlen vor: Der Gewinn fiel um 24 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro. Die Diesel-Misere lähmt weiter.

Mit der Ankündigung kräftiger Investitionen in die zukunftsträchtige Elektromobilität sollten Anleger beruhigt werden: „Der Blick nach vorne hat für uns äußerte Priorität“, sagte Firmenchef Harald Krueger (53). Doch statt neue Elektroauto-Modelle auszuliefern, bleibt es bei ambitionierten Zukunftsplänen und Ankündigungen. Im Jahr 2021 soll es fünf Elektroauto-Typen von BMW im Sortiment geben, 2025 sogar zwölf verschiedene Modelle.

Doch angesichts solcher Vertröstungen sagte zuletzt der vom Tesla-Skeptiker zum Anhänger bekehrte Finanzanalyst Left: Tesla wäre derzeit einfach die einzige Firma, die bei Kunden gefragte Elektroautos „herstellen und verkaufen kann“.

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