Im Schweizer Nobelort Davos trifft sich ab Dienstag die weltweite Wirtschaftselite.

Nicht am Start beim 49. Weltwirtschaftsforum: US-Präsident Donald Trump, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und die britische Premierministerin Theresa May.

Die weltweite Wirtschaftslage macht den Bossen nicht viel Grund zur Freude, die Liste der Sorgen ist lang: schlechte Wachstumszahlen aus China, das sich abschwächende Wachstum in Deutschland, politische Unsicherheiten, Handelsstreit oder auch der immer wieder beklagte Fachkräftemangel.

Und dann gibt es auch noch zunehmende Gefühl, dass sich die Politik nicht ausreichend um die Interessen der Menschen gekümmert hat – die Moral in Zeiten der Globalisierung hinten angestellt hat. Alles andere als einfache Themen, mit denen sich Kanzlerin Angela Merkel und Co. nun in Davos beschäftigen müssen.

Noch scheint die Sonne über Davos. Aber die dunklen Wirtschaftswolken am Horizont werden immer deutlicher …

„Architektur der Wirtschaftspolitik wird sich nicht ändern“

Schaffen es die Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft, sich in Davos wieder mehr auf einen moralisch einwandfreien Umgang mit der ihnen anvertrauten und gegebenen Macht zu besinnen?

Werner Weidenfeld, Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung der Universität München, glaubt nicht daran. „Es wird keine grundsätzliche Korrektur wirtschaftspolitischen Denkens geben. Die aktuellen Andeutungen bezüglich der Moral in Zeiten der Globalisierung ist letztlich eine verbal-musikalische Begleitung der harten Realität, eine Besänftigungsmelodie. Die Architektur der Wirtschaftspolitik wird sich deshalb nicht ändern“, sagt Weidenfeld im Gespräch mit BILD.

Insgesamt diskutieren in Davos mehr als 3000 Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft über die Probleme und Lösungen für internationale Probleme wie Klimawandel, Cyberattacken und Handelskriege.

Aus der deutschen Politik reisen neben Merkel mehrere Bundesminister sowie die neue CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer nach Davos.

Weltwirtschaftsforum in Davos

Hotspots während des Treffens im Schweizer Kanton Graubünden

Wirtschaftsminister Peter Altmaier betonte vorab die Bedeutung des Dialogs in Zeiten schwachen Wirtschaftswachstums. Zuletzt habe sich auch das deutsche Wirtschaftswachstum vor dem Hintergrund der genannten Herausforderungen verlangsamt, warnte Altmaier.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte am Montag seine aktuellen Prognosen präsentiert: Den globalen Ausblick für 2019 senkte er um 0,2 Punkte auf 3,5 Prozent, für Deutschland ging es 0,6 Punkte nach unten auf 1,3 Prozent BIP-Wachstum in diesem Jahr.

Gründe dafür sind demnach anhaltende Handelsspannungen, die Unsicherheit rund um den Brexit und nachlassende Wachstumsraten in einzelnen Volkswirtschaften.

  • Wegen Handelskrieg

    Chinas Wachstum fällt auf historisches Tief

    Chinas Wirtschaftswachstum ist auf den niedrigsten Stand seit fast drei Jahrzehnten gefallen.

Schlechte Zeiten für Lohnabschlüsse, Sparer und öffentliche Kassen

▶︎ Wie schlecht steht es also um die deutsche Wirtschaft? Worüber machen sich die Unternehmen hier die meisten Sorgen? Und was bedeutet das für Jobs in Deutschland – und den Geldbeutel jedes Einzelnen?

BILD hat mit Gabriel Felbermayr, Leiter des Zentrums für Außenhandel am Münchener Ifo-Institut, gesprochen und wollte wissen: Was sind aktuell die größten Sorgen für „unserer Chefs“?

Gabriel Felbermayr: „Leider gibt es viele Themen: Die zunehmend deutlich werdende Schwäche Chinas, die Zinswende in den USA, die große Unsicherheit durch einen erratischen US-Präsidenten und seinen Protektionismus, das Chaos in Europa durch Brexit, den Populismus in Italien und den Reformstau in Frankreich … Die größte Sorge ist, dass ein weiterer Vormarsch des Populismus die Politik angesichts neuer wirtschaftlicher oder politischer Herausforderungen zunehmend handlungsunfähig macht. Eine solche Pattsituation sehen wir gerade in den USA bei der Haushaltssperre; gut möglich, dass wir eine ähnliche Situation in der EU nach den Wahlen zum EU-Parlament im Mai haben.“

Und was bedeutet das konkret für unser Geld und unsere Jobs?

Felbermayr: „Es bedeutet, dass die Zeiten relativ guter Lohnabschlüsse schneller vorbei sein könnten, als sie gekommen sind. Es bedeutet auch, dass die deutschen Sparer sich nicht auf höhere Zinsen freuen dürfen, weil die einzige wirklich schlagkräftige Institution der EU, die EZB, die Zinsen angesichts einer neuen Wachstumsschwäche nicht erhöhen kann. Und es bedeutet, dass die Zeit voller öffentlicher Kassen ein Ende findet.“

Warum stottert der Konjunktor-Motor derzeit eigentlich?

Felbermayr: „Die große Unsicherheit belastet die Investitionstätigkeit der Wirtschaft. Dazu kommen in Deutschland selbst gemachte Belastungen: die Dieselproblematik, die Kosten der Energiewende, und eine hohe Steuerbelastung. Außerdem gibt es zyklische Effekte: kein Boom währt ewig, und die gegenwärtige Wachstumsphase kommt langsam in die Jahre.“

Hoher Sicherheitsaufwand in der Schweiz

Für das Treffen in Davos sind zahlreiche Sicherheitskräfte in der ganzen Schweiz im Einsatz.

▶︎ Neben der Polizei können bis zu 5000 Soldaten eingesetzt werden. Die Kosten betragen etwa 32 Millionen Schweizer Franken (28 Mio Euro), wie örtliche Medien berichteten. Der Luftraum über Davos ist in einem Umkreis von 46 Kilometern und bis zu 6000 Metern Höhe gesperrt. Viele Staats- und Regierungschefs werden mit Helikoptern in das Tal eingeflogen.

In mehreren Schweizer Städten hatte es am Wochenende Demonstrationen gegen das WEF, aber auch gegen den Besuch des brasilianischen Präsidenten Bolsonaro gegeben. Kritiker werfen dem Ex-Militär rassistische, sexistische und schwulenfeindliche Äußerungen vor. Zudem erwägt Bolsonaro den Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen.

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