American Airlines streicht pro Tag 90 Boeing-Flüge +++ Zudem drohen Boeing Schadenersatzzahlungen in Milliardenhöhe an die EU

Die „New York Times“ enthüllt, warum der Flugzeughersteller Boeing seinen Todesflieger 737 Max vorschnell auf den Markt gebracht haben könnte: Der Konzern stand unter Druck, weil Airbus der US-Konkurrenz sonst einen Mega-Deal abgejagt hätte.

Im Frühjahr 2011 rief der Vorstands-Chef der US-Gesellschaft American Airlines, Gerard Arpey, beim damaligen Boeing-Boss James McNerney Jr. an, berichtet die Zeitung. Er stand kurz davor, Hunderte Jets vom Typ A320neo bei der europäischen Konkurrenz Airbus zu ordern. Es war eine letzte Chance für Boeing, selbst ein Angebot zu machen.

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737 Max aus der Not heraus geboren

„Um American Airlines umzustimmen, verwarf Boeing die Entwicklung eines neuen Passagier-Flugzeuges, weil dies ein Jahrzehnt gedauert hätte. Stattdessen entschloss sich die Firma, ihr Arbeitspferd 737 zu modernisieren und versprach, die Maschine würden in sechs Jahren fertig sein“, berichtet die „Times“.

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Quelle: Reuters
1:47 Min.

Die Folgen des Konkurrenzkampfes

Die „Times“ berichtete unter Berufung auf ehemalige und aktuelle Mitarbeiter Boeings über die Folgen.

„Der Zeitplan war extrem komprimiert“, sagt ein Ingenieur, der an der 737 Max arbeitete. „Es hieß: ‚Go, go, go!‘“ Die ersten Designs seien nach nur sechs Monaten vorgelegt worden.

► Ein Designer des Teams, der an der Flugkontrolle der 737 Max arbeitete, sagte, dass seine Gruppe 16 technische Zeichnungen pro Woche abgeliefert habe – das Doppelte des normalen Pensums. „Sie haben uns gesagt: ‚Wir brauchen etwas JETZT!‘“

► Ein Techniker, der für die Verkabelung zuständig war, beklagte: In den ersten Monaten hätten unter Druck gesetzte Designer „schlampige Blaupausen“ bei ihm abgeliefert. Man habe ihm gesagt, dass die Verkabelung später verbessert werde. Doch bis heute gebe es Lücken. So fehlten in der internen Montage-Anleitung Spezifizierungen der Werkzeuge, die für bestimmte Kabel eingesetzt werden müssen. Dies könne zu fehlerhaften Verbindungen führen.

► Rick Ludtke, ein Ingenieur, der am Cockpit der 737 Max arbeitete, berichtete der „Times“ von einer Grundregel, die Boeing für die Modifizierung der alten Maschine ausgegeben hatte: „Minimiert die Veränderungen, damit wir hoffentlich vermeiden können, dass Piloten an Flug-Simulatoren trainieren müssen, bevor sie die Max fliegen dürfen.“

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„Das hat es noch nie gegeben“

„Das hat es noch nie gegeben“, sagte Ludtke. Als sie das Cockpit mit einem digitalen Display modernisierten, wollte sein Team das Informations-Layout neu entwerfen, um den Piloten mehr Daten zu geben und sie leichter lesbar zu machen. Doch dies hätte zu einem neuen Trainings-Zwang geführt.

Also wurden jahrzehntealte Messgeräte auf den Bildschirmen nachgebaut. Ludtke: „Das Projekt war der intensivste Hochdruck-Topf, den ich je erlebt habe. Sie wollten so wenige Veränderungen wie möglich, um Kosten zu sparen und schnell fertig zu werden.“

► Um wie der neue A320 weniger Treibstoff zu brauchen, stattete Boeing die 737 Max mit größeren Triebwerken aus. Folge: Die Aerodynamik der Maschine veränderte sich, sie machte ein Überziehen unter bestimmten Umständen wahrscheinlicher.

Dafür wurde die Max mit einer neuen Software (MCAS) ausgestattet, die die Nase automatisch nach unten drückt, wenn die Maschine einen kritischen Winkel erreicht. Weil das System selbstständig arbeitet, glaubte Boeing, die Piloten nicht briefen oder am Simulator trainieren zu müssen. Genau diese Software steht nun aber unter Verdacht, Mitschuld an den beiden Abstürzen zu sein.

► Der Bericht dürfte wie ein Schock bei Boeing aufgenommen werden. Staatsanwälte ermitteln bereits, ob das Design und die Entwicklung der Max so schnell vorangetrieben worden war, dass Boeing kritische Sicherheits-Risiken übersehen und die Notwendigkeit des Pilotentrainings heruntergespielt hat.

► Die nächste bittere Folge der Boeing-Krise: American Airlines hat angekündigt, in den kommenden vier Wochen zahlreiche weitere Flüge zu streichen. Bis zum 24. April sollen pro Tag etwa 90 Flüge wegfallen, wie die Airline am Sonntag mitteilte.

Nächster drohender Schlag: WTO-Urteil

Und als wäre das nicht genug, veröffentlicht die Welthandelsorganisation (WTO) am Donnerstag das abschließende Urteil in einem seit Jahren laufenden Fall um illegale Subventionen.

Dabei ging es um Entwicklungshilfen für den Boeing-Verkaufsschlager Dreamliner. Das Urteil könnte den Weg für die EU frei machen, Schadenersatz in Milliardenhöhe zu verlangen. Über die Summen entscheidet letztlich das WTO-Berufungsgericht. Nach WTO-Regeln darf einem inländischen Unternehmen von staatlicher Seite kein leichterer Marktzugang gewährt werden als einem Unternehmen eines anderen Mitgliedsstaates.

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Quelle: BILD/Reuters/Boeing
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