„Einer allein kann nichts ändern, aber einer muss anfangen“

Ein Getränkehändler flippt auf Facebook aus und schreibt sich in sehr deutlichen Worten den Frust über unsere Flut an Plastikmüll, über unsere Ignoranz und über unser mieses Verbraucherverhalten von der Seele.

Das war am 17. Juni. Jetzt, am 21., geht Hans-Peter Kastner (41) mit seinem gleichnamigen Getränkemarkt in Stuttgart noch einen großen Schritt weiter: Er schmeißt alle Plastikflaschen aus seinem Angebot!

▶︎ „Ich habe heute einen Aushang gemacht, dass wir ab dem 1. August komplett auf Plastik verzichten werden“, sagte Kastner zu BILD. „Damit sind wir definitiv der erste Getränkehändler in Deutschland, der das macht, wenn nicht weltweit. Ich werde versuchen, mit den Kunden ins Gespräch zu kommen und sie aufzuklären, denn ich werde auch auf Mehrweg-Plastikflaschen verzichten.“

Warum auch auf Mehrwegflaschen? „Plastik wird es bei uns überhaupt nicht mehr geben. Denn das Problem ist: Wenn ich die PET-Flaschen behalte, bin ich weiterhin verpflichtet, den Discounter-Müll anzunehmen. Also gehe ich komplett weg.“ Dieser Discounter-Müll war der Auslöser seines Wut-Postings. Kastner sammelte in nur zwölf Wochen 52 große Säcke mit je 200 Einwegplastikflaschen darin, insgesamt also 10 400 Stück. Und daraufhin platzte ihm der Kragen.

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Kastner zu BILD: „Ich wollte mir nur meinen Frust von der Seele schreiben und war dabei brutal ehrlich. Das war wohl auch der Grund, warum so viele Menschen dieses doch sehr lange Posting gelesen haben.“

Doch die Entscheidung, Plastik komplett aus dem Sortiment zu nehmen, könnte für Hans-Peter Kastner und seinen Familienbetrieb (im Laden arbeiten noch seine Frau, sein Bruder, sein Neffe und ein Nicht-Familienmitglied) das Aus bedeuten. „Diese Entscheidung macht 30 bis 35 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Wenn der Kunde das nicht mitträgt, werden wir definitiv innerhalb von drei Monaten zu machen können. Aber ich habe mit meinem Brief die große Fresse gehabt, jetzt handele ich auch – und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Heißt in meinem Fall ohne Rücksicht auf mich.“

„Wenn ich es schaffe, haben bestimmt auch bald meine Kollegen die Eier in der Hose“

Noch steht er mit dieser Aktion allein da. Aber: „Viele andere Getränkehändler haben mich angeschrieben und mir zu meinem Mut gratuliert. Sie haben gefragt, ob sie mein Posting teilen dürfen, denn dann haben sie es ja nicht gesagt. Sie haben mir auch gesagt, dass sie sich das wegen der finanziellen Einbußen nicht trauen würden.“

Doch Kastner will kämpfen! „Wenn wir das schaffen und überleben, dann haben bestimmt auch bald meine Kollegen die Eier in der Hose, dasselbe zu tun. Und dann wächst der Druck auf die Industrie gewaltig. Wir haben es doch in der Hand! Es ging doch früher auch ohne Plastikflaschen.“

„Ich mache mir keine Sorgen um meine Zukunft. Es geht um unsere Zukunft“

In die nächsten Sätze legt er sein ganzes Herz, seine ganzen Emotionen, sodass sie zum dringenden Appell werden.

„Die Politik macht nichts – aber wir müssen handeln! Wenn wir es nur in Deutschland schaffen würden, keine Plastikflaschen mehr zu nehmen, dann würden wir Milliarden Flaschen sparen – und damit sehr viel Müll.“

Was will Kastner denn machen, wenn er wirklich pleitegehen sollte? Der Getränkehändler bleibt gelassen.

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„Wenn die meisten Kunden mitziehen und wir nur zehn bis 15 Prozent Umsatzverlust machen, wird es hart, aber wir werden überleben. Aber ich habe auch keinen Plan B, wenn mein Laden den Bach runtergeht. Falls das passieren sollte, werde ich 14 Tage Urlaub machen und mir einen neuen Job suchen. Vielleicht haben auch ein paar Arbeitgeber von meiner Aktion mitgekriegt und würden sich freuen, jemanden mit so viel Engagement einzustellen. Meine Frau ist gelernte Arzthelferin, auch sie wird etwas finden.

Ich mache mir keine Sorgen um meine Zukunft. Es geht um unsere Zukunft, da kann ich nicht mehr zurück und da kann ich auch nicht wegschauen. Wenn ich pleitegehe, verdiene ich vielleicht den einen oder anderen Euro weniger, aber ich habe etwas dagegen getan, dass unsere Umwelt nicht untergeht.

Die Klimaaktivisten reden mir auch viel zu politisch. Die Wirtschaft hat es doch in der Hand. Wir müssen es tun! Aber da klemmt es in der Gesellschaft. Wir sind zu bequem und zu faul. Ich sage immer: ‚Einer allein kann nichts ändern, aber einer muss anfangen.‘ Da muss erst ein kleiner Getränkehändler kommen …“

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