*Der Autor war 43 Jahre bei der Schutzpolizei. Der Oberkommissar a.D. aus Flensburg legt sich auch im Ruhestand weiter mit der Kaffeefahrt-Branche an.

Sie fragen jemanden: Waren Sie schon mal bei einer Kaffeefahrt dabei? Und oft höre ich: „Nein, da wird man doch übers Ohr gehauen.“ Das Verrückte: 80 Prozent der Gäste fahren wieder mit.

Ich kann die Ausflügler gut verstehen. Die Einladungen versprechen Geselligkeit, Unterhaltung, Gewinne und Geschenke. Selbst meine Mutter fuhr gerne mit. „Um mal rauszukommen“, wie sie formulierte.

Dabei wurde sie selbst Opfer dieser Straftäter. Meine Mutter, sonst sehr sparsam und vernünftig, hatte sich eine billige Decke als „Lama-Alpaka-Gesundheitsdecke“ für 600 Mark aufschwatzen lassen. Klar, dass ich sie bei den nächsten „Ausflügen“ begleitet habe.

Ich war fasziniert von diesen Ganoven! Sie waren gut! Sie schafften es, wildfremden Menschen ein Phantasieprodukt für das zwanzigfache des eigentlichen Wertes zu verkaufen.

Meine Faszination schlug jedoch schnell in Abscheu um. Wie dreist ist es, gezielt mit der Einsamkeit der älteren Menschen zu arbeiten. Sie mit Versprechungen anzulocken und dann die finanziell eher nicht so gut ausgestatteten Senioren gnadenlos abzuzocken.

Selbst bei ihrer Vorstellung lügen sie. Keiner der Anwesenden zweifelt an den Worten des Vortragenden, wenn dieser sich als Dr. med. Martens, Sportmediziner aus Rostock, vorstellt.

Meine ersten Fahrten liegen nun mehr als 30 Jahre zurück. Seit dem habe unzählige Fahrten mitgemacht. Bei 100 habe ich aufgehört zu zählen. Im Jahr 2000 war ich bundesweit der erste Kaffeefahrer, der das neue Verbraucherrecht zu Gewinnzusagen in Anspruch nahm. (§ 661 a BGB).

Jedem Fahrgast war ein Gewinn von 10000 DM versprochen worden. Im Saal forderte ich unverzüglich jedoch vergeblich die 10000 DM ein. Ich rief die Polizei, die mir die Personalien des Verkäufers mitteilte. Mit Rückendeckung meiner Rechtsschutzversicherung ermittelte mein Anwalt den tatsächlichen Zahlungspflichtigen und erwirkte einen Mahnbescheid. Leider konnte dieser nicht zugestellt werden, weil der Adressat mit unbekanntem Ziel verschwand.

Ich erhielt einen anonymen Drohbrief. Allerdings löste die Androhung von Schlägen bei mir das Gegenteil aus. Ich verfolgte nun jede mir bekannte „Kaffeefahrt“.

Super-Luxus-Vitamine werden jetzt als Gesundheitskuren zum 60-fachen des eigentlichen Wertes verkauft. Oder die Veranstaltungen dauern bis zu 10 Stunden, damit auch noch genügend „Kleinteile“ verkauft werden können.

Nein! Zumindest in Sachen betrügerischer Kaffeefahrten wird es bald ein Ende haben. So hoffe ich! Denn dem Bundestag liegt seit Jahren auf Initiative Bayerns ein Gesetzesentwurf zur Abstimmung vor. Das „Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes bei Verkaufsveranstaltungen im Reisegewerbe“ sieht u. a. vor, das Bußgeld für nicht angemeldete Veranstaltungen von 1000 auf 10000 Euro zu erhöhen.

Das Gesetz ist überfällig.

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