Seit der Kontroverse um Sebastian Vettels Strafe von Kanada fühlt sich die Formel 1 auf einem Irrweg. Das enge Regelkorsett stört viele Fahrer und Fans. Ihr Wunsch: Zurück in die Vergangenheit.

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Le Castellet (dpa) – Im Ärger über die Abfuhr der Sportrichter flüchtete sich Sebastian Vettel in Ironie. Er müsse wohl «in Rente gehen», um künftig Strafen auf der Formel-1-Strecke zu vermeiden, sagte der Ferrari-Pilot.

Die Entscheidung der Rennkommissare, das Verfahren um Vettels wegen einer Zeitstrafe verlorenen Kanada-Sieg nicht wieder aufzurollen, hat der kochenden Debatte ums strenge Reglement kein Ende bereitet. «Es gibt zu viele Paragrafen im Regelbuch. Wie man das ändern kann? Verbrennt einfach die Papiere», ätzte Vettel vor dem Frankreich-Rennen am Sonntag.

Wer nun annimmt, der um seinen ersten Saisonsieg gebrachte Hesse habe sich in seiner Wut auf die Formel-1-Gesetze und die Streckenrichter verrannt, muss in Le Castellet nur Vettels Kollegen lauschen. Im Fahrerlager haben die Thesen des 31-Jährigen ziemlich hohe Zustimmungsraten.

«Es gibt zu viele Richtlinien für Strafen, die dann angewendet werden», sagte Haas-Pilot Romain Grosjean. Ähnlich klang es bei McLaren-Fahrer Carlos Sainz: «Es gibt da diese Regel, die nicht da sein sollte, weil sie zu scharf und zu sehr schwarz und weiß ist und den Geist des Rennfahrens nicht wirklich berücksichtigt.»

In ihrem steten Bemühen um das Höchstmaß an Sicherheit ist die Formel 1 offenbar auf einen Irrweg geraten. Die Kontroverse um den Vorfall von Montréal, als Vettel aufs Gras geriet und bei der Rückkehr auf die Strecke die Linie von Verfolger Lewis Hamilton kreuzte, rückte das Dilemma in den Fokus. «Irgendwo müssen wir mal die Kurve kriegen. So kann es ja nicht weitergehen mit den Paragrafenreitern», mahnte Vettel.

Der Wunsch der Piloten: zurück in die Vergangenheit. «Wir Fahrer wissen schon, was ein fairer Zweikampf ist und was du akzeptieren kannst», sagte Routinier Kimi Räikkönen, mit 39 Jahren der Alterspräsident im Fahrerfeld. Bestärkt wird der aktuelle Formel-1-Jahrgang dabei von auffällig vielen Vorfahren. Einstige Champions wie Jenson Button, Damon Hill, Mika Häkkinen oder Jacques Villeneuve machten sich zuletzt für eine Lockerung der Regeln stark und verwiesen auf die frühere Praxis. Räikkönen beschrieb es als «mehr Freiheit auf eine schlaue Art».

Harte Duelle im Grenzbereich, Renn-Action voller Emotionen – das dürfte durchaus auch im Sinne der Grand-Prix-Vermarkter sein. Dass nach einem Grauzonen-Manöver wie in Kanada die Entscheidung über den Rennsieger im Büro der Sportkommissare fällt und der Erste im Ziel nicht der Gewinner ist, lässt sich kaum als Werbung für den Sport verstehen. «Für die Leute, die an der Strecke oder am Fernsehen sitzen, ist es einfach doof, sieht scheiße aus», sagte Vettel.

Die undankbarste Rolle haben dabei die Streckenrichter, die im engen Regelkorsett gefangen sind. «Manchmal wollen sie gar keine Strafe geben, aber sie müssen es», sagte Red-Bull-Fahrer Max Verstappen. Der 21 Jahre alte Niederländer musste im Januar als Strafe einen Tag mit den Rennkommissaren der Formel E in Marrakesch verbringen, weil er seinen Formel-1-Rivalen Esteban Ocon nach einem Rennen geschubst hatte. «Es ist nicht fair zu sagen, dass sie einen schlechten Job machen», sagte Verstappen über die Sportkommissare.

Doch wie schnell findet die Formel 1 den Weg aus der Zwickmühle? Mitten in der Saison das Regelwerk ändern, das erscheint eher schwierig. Und wer steckt dann die neuen Grenzen zwischen gesunder Härte und gefährlichem Übermut ab?

Auf dem Circuit Paul Ricard werden die vermeintlich besten Rennfahrer der Welt beim Grand Prix am Sonntag (15.10 Uhr/RTL und Sky) auf jeden Fall noch mit dem kleinlichen Strafenkatalog leben müssen. Im Vorjahr brauchten die Sportrichter das Regelbuch schon kurz nach dem Start: Wegen eines Auffahrunfalls erhielt Sebastian Vettel eine Fünf-Sekunden-Strafe.

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