Nach dem Hickhack um die Kandidatur für die Olympischen Winterspiele 2026 zeigt sich Italien auf einmal ungewöhnlich geeint. Die Vergabe der Spiele an Mailand und Cortina d’Ampezzo geht weit über den sportlichen Aspekt hinaus. Und verdeutlicht eine alte Rivalität.

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Mailand (dpa) – Nicht nur James Bond wusste die atemberaubende Kulisse der Dolomiten zu schätzen. «In tödlicher Mission» sauste Bond alias Roger Moore über die Sprungschanze in Cortina d’Ampezzo und über die weißen Pisten des legendären italienischen Wintersportortes.

Im Jahr 2026 wird das olympische Feuer auch wieder die «Königin der Alpen» erleuchten. Zusammen mit Mailand hat Cortina den Zuschlag für die Winterspiele in sieben Jahren bekommen. Mit urbaner Modernität auf der einen, und spektakulärer Natur auf der anderen Seite hat sich Italien gegen den einzigen Mitbewerber Stockholm durchgesetzt.

So einig wie selten zeigte sich das Land. «Italia, Italia» jubelte die Delegation, als IOC-Chef Thomas Bach den Siegernamen Mailand vorlas. «Ein Traum wird Wirklichkeit», erklärte Ministerpräsident Giuseppe Conte. «Wir haben die Chance, das beste Gesicht Italiens zu zeigen.» Die Zeitung «Gazzetta dello Sport» sah ein «italienisches Wunder». «Unglaublich, Brüder und Schwestern: Italien ist wieder erwacht», schrieb sie. Politiker fast aller Parteien beglückwünschten das Land und beschwörten einen Geist der Einheit – den es in Realität allerdings längst nicht so gibt.

«Der Sport hat gewonnen, seine Reinheit. Und der Enthusiasmus eines ganzen Landes, weit weg von der Logik der Macht, weit weg von jedem Interesse», sagte der Chef der regierenden Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio. Das klang jedoch verlogen. Denn es war seine Partei, die die Bewerbung behindert hat. Die populistische Regierungskoalition in Rom aus Sternen und rechter Lega war und ist gespalten: Während die im Norden starke Lega die Spiele gepusht hat, zierten sich die Sterne, traditionell ein Gegner von Großprojekten.

Das von einer Sterne-Bürgermeisterin geführte Turin, Olympia-Austragungsort von 2006, zog sich dann auch aus der Kandidatur zurück. Genauso wie vor knapp drei Jahren schon mal die Hauptstadt Rom, deren Bürgermeisterin von den Sternen die Sommerspiele 2024 dann doch nicht haben wollte. Sie würden die klamme Stadt zu viel Geld kosten, so die Begründung.

Nun schaut Rom zu, während Mailand jubelt. Die Finanzmetropole im Norden boomt. Mit der Ausrichtung der Expo 2015 hat Mailand bewiesen, dass es von Großevents profitieren und massenhaft Touristen anlocken kann. Im Gegensatz zu Rom, das in Müll, Verkehr, Schlaglöchern und Selbstmitleid fast untergeht, blüht der ewige Rivale im Norden auf. Eiskunstlauf und Eishockey sollen hier stattfinden, und ein Olympisches Dorf gebaut werden. Alles freilich öko und nicht zu teuer.

Nördlich von Mailand, in Bormio und Livigno, wird Ski-Alpin der Männer und Snowboard stattfinden. In Cortina – wo 2021 auch die Alpin-WM ausgetragen wird – sollen die Frauen Skifahren. Der mondäne Ort hofft auf neuen Glanz, nachdem er 1956 die Winterspiele schon einmal ausgerichtet hatte. «Das Projekt ist sehr schön. Es gibt keine Gigantomanie, investiert wird vor Ort und in die Erneuerung der bestehenden Anlagen», sagte die italienische Skirennfahrerin Sofia Goggia und schwärmt von Italiens Schönheit und Gastfreundschaft. In Cortina Skifahren sei wie Poesie, «die Berge, die Farben…» Kritiker warnten jedoch vor einer ungeahnten Kostenexplosion.

Die ausrichtenden Regionen Lombardei und Venetien sind finanziell und organisatorisch ohne Frage in der Lage, die Spiele zu einem Spektakel zu machen. Auch die Region Trentino-Südtirol ist unter anderem mit Biathlon dabei. Sie sind das Dreigestirn der reichsten und effizientesten Regionen Italiens. Und sie alle drei pochen auf mehr Autonomie von der Hauptstadt Rom.

Die «bellezza» eines ganzen Landes soll in den zwei Olympia-Wochen gezeigt werden: Von der Eröffnungsfeier im legendären San Siro Stadion in Mailand bis zur Abschlussfeier in der historischen Arena von Verona. An Sportbegeisterung fehlt es in Italien genauso wenig wie an herrlichen Kulissen.

Arbeitsplätze, neue Straßen, bessere Infrastruktur, mehr Tourismus, kurzum ein wirtschaftlicher Kick: Darauf hofft Italien. Ein Land, das wirtschaftlich trotz seines Potenzials nicht auf die Beine kommen will. Die Verschuldung ist so hoch wie in kaum einem anderen Land der Welt. Die europakritische Populisten-Regierung liegt mit der EU deshalb seit Monaten im Streit. Vielleicht beschwört Olympia auch wieder den europäischen Geist? Ein Freund der ganzen Welt wolle Italien nun sein, schreibt die Mailänder Zeitung «Corriere della Sera». Italiens Gold solle wieder glänzen.

Jetzt beginnt allerdings der schwere Teil: In sieben Jahren Anlagen, Olympia-Dörfer und Infrastruktur bauen. Korruption, Illegalität, überbordende Bürokratie – die «italienischen Krankheiten» – überwinden. Keine neue Finanzlöcher schaffen, sondern das Geld so einsetzen, dass die Menschen vor Ort wirklich langfristig profitieren. Und den Süden in den Enthusiasmus miteinbeziehen. Andernfalls wird die Spaltung zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden nur noch spürbarer werden.

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