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Kiel (dpa) – Abwehrstütze Hendrik Pekeler will die Waschmaschine anschmeißen, Torhüter Andreas Wolff was Ordentliches essen – und selbst Handball-Bundestrainer Christian Prokop geht ganz kurz vor der Heim-WM noch einmal in den Ruhemodus.

«Sie werden es nicht glauben», sagte der 40-Jährige über seine Planung für den handballfreien Montag. «Ich habe ein bisschen was vor mit der Familie und werde noch mal abschalten.» Das größte Turnier ihrer bisherigen Karrieren rückte für wenige Stunden ganz weit in den Hintergrund. Und zumindest Wolff war davon nicht allzu begeistert. «Es ist ein bisschen ärgerlich, dass jetzt noch ein Tag frei ist», meinte er.

Nicht nur der ehrgeizige Keeper kann das WM-Eröffnungsspiel gegen Korea am 10. Januar in Berlin kaum erwarten. Lange muss sich der Torwart des THW Kiel auch nicht mehr gedulden, denn schon an diesem Dienstag ist es mit der Ruhe vorbei. Dann versammelt Prokop seine 16 WM-Spieler nach einer kurzen Heimat-Auszeit in der Hauptstadt und richtet den Fokus endgültig auf die WM. «Und da brennen wir dann ein Riesenfeuerwerk ab», kündigte der 21 Jahre junge Rückraumspieler Franz Semper an.

Die Vorfreude auf das Heim-Turnier könnte bei Prokop und der Mannschaft kaum größer sein. In seinen rund eineinhalb Jahren als Bundestrainer hat man den zweifachen Familienvater selten so ausgeglichen erlebt wie nach dem 28:13 gegen Argentinien im abschließenden WM-Test am Sonntag in Kiel. Prokop parierte geduldig jede Frage, agierte weder genervt noch angespannt, sondern ließ stattdessen eine tiefe Neugierde auf das bevorstehende Highlight seiner Laufbahn durchblicken. «Dieses Gefühl, vor so einer Kulisse zuhause spielen zu dürfen, das ist gigantisch», sagte er.

Dass er mit einer derart positiven Gelassenheit in das Turnier starten kann, musste sich der Coach hart erarbeiten. Nach der desolaten EM in Kroatien vor einem Jahr hatte für ihn eine monatelange Aufarbeitung begonnen. Nachdem das Präsidium des Deutschen Handballbundes (DHB) ihm etwas überraschend das Vertrauen ausgesprochen hatte, suchte Prokop den Austausch mit seinen Nationalspielern. Er hinterfragte sich kritisch, räumte Fehler ein, leitete Veränderungen ein und arbeitete vor allem an einem neuen Teamgefühl.

Das Ergebnis: «Wir haben jetzt eine sehr positive, sehr ehrgeizige Stimmung und auch einen guten Mix aus Lockerheit erzeugt», sagte er in Kiel. Auch seine Spieler bestätigten zuletzt mehrfach den erfolgreichen Kulturwandel innerhalb der Mannschaft. Selbst eine etwas überraschende Entscheidung wie die Streichung von Europameister Tobias Reichmann aus dem WM-Kader sorgt diesmal nicht für Unruhe. «Es mussten zwei Spieler gestrichen werden. Jetzt hat es Tobi und Tim getroffen», meinte Pekeler mit Blick auf den ebenfalls aussortierten Tim Suton. «Wir wollen einfach nicht drüber reden. Wir wollen mit den 16 Leuten, die hier sind, eine erfolgreiche WM spielen.»

Gerade mal ein Jahr ist es her, dass Prokop mit der Maßnahme, Abwehrchef Finn Lemke aus dem EM-Kader zu streichen, einen ersten Graben zwischen sich und Teilen des Teams hat entstehen lassen. Es war der Beginn einer Entfremdung, die anschließenden Monate der nötigen Annäherung scheint er sinnvoll genutzt zu haben. Rechtzeitig vor Beginn des Turniers dreht sich bei ihm und seinem Team alles um die Vorfreude und um sportliche Aspekte. Selbst abschalten kann der früher so verbissen wirkende Coach mittlerweile.

«Und dann werde ich mit Schwung nach Berlin kommen», kündigte er an. Dort wird er in den verbleibenden Tagen bis zum Eröffnungsspiel wohl vor allem am Angriff feilen. Dass die deutsche Abwehr an guten Tagen zu den besten der Welt gehört, zeigte sie eindrucksvoll gegen Panamerikameister Argentinien. «Fantastisch» sei die Defensive gewesen, lobte selbst der argentinische Trainer Manolo Cadenas. Im Positionsangriff habe die DHB-Auswahl dagegen noch einige Probleme gehabt, sagte Rückraumspieler Paul Drux. Seinem Trainer dürfte das zumindest noch einen Tag lang egal gewesen sein. Ausnahmsweise.

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