Manuela Schwesig und Kevin Kühnert: Die beiden SPD-Politiker fordern die Erneuerung des Sozialstaats. (Quelle: t-online.de/imago)

In einem Gastbeitrag stellten die SPD-Politiker Schwesig und Kühnert ihre Idee vom neuen Sozialstaat vor: Bürgergeld, Abschaffung von Hartz IV und Erhöhung des Mindestlohns. Die t-online.de-Leser begrüßen die Forderungen, bleiben aber skeptisch.

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und der Bundesvorsitzende der Jusos, Kevin Kühnert, fordern eine grundlegende Reform des deutschen Sozialstaats. In einem Gastbeitrag auf t-online.de erläutern die beiden Politiker ihre Vorstellungen von einem „neuen Sozialstaat“. So solle jeder Bürger etwa ein Recht auf Arbeit haben, der Mindestlohn solle auf 12 Euro angehoben und Hartz IV gegen ein Bürgergeld getauscht werden.

Wichtig dabei sei, dass anstelle von Sanktionen unbürokratische Hilfe im Vordergrund stehe. Die Sozialdemokraten möchten sich damit endgültig von der Agenda 2010 verabschieden. Die Agenda-Reformen waren 2003 von der rot-grünen Bundesregierung unter Führung des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) auf den Weg gebracht worden.

Die Reformideen des SPD-Duos wurden von den t-online.de-Lesern viel diskutiert. Besonders viele stellten sich die Frage, wie die SPD ihre Forderungen nach einem Recht auf Arbeit umsetzen möchte. Einige Reaktionen.

Recht auf Arbeit

Manuela Schwesig: Die Ministerin von Mecklenburg-Vorpommern hier bei einem Besuch der MV Werften in Wismar. (Quelle: BildFunkMV/imago)

  • „Ich bin dafür, dass jeder ein Recht auf Arbeit hat und seinen Lebensunterhalt selbst bestreitet. Auch mit einem Mindestlohn könnte ich leben, solange sich dieser nicht negativ auf die Lebenshaltungskosten gerade der Geringverdiener auswirkt. Was ich daran amüsant finde, ist, dass ich als kleiner Handwerker seit geraumer Zeit Fachkräfte zur Unterstützung suche. Leider ist im weiten Verständnis von Arbeit wohl immer die Industrie und/oder ein Studienberuf gemeint. Handwerker haben wohl ein so schlechtes Image, dass es keiner mehr machen will, egal in welcher Lohnkategorie man sich bewegt.“
  • „Ca. 15.000 Kraftfahrer fehlen, jeder zweite Betrieb sucht Mitarbeiter und bekommt keine. Wenn sich bei uns Bewerber vorstellen, gibt es zwei Gruppen: Die einen suchen wirklich und die anderen kommen vom Amt. Letztere meist mit dem Spruch, dass wir unterschreiben sollen, dass wir sie nicht nehmen, da sie keine Lust haben.“
  • „Wer will das Recht auf Arbeit durchsetzen, wenn wir von Unternehmen und ihren Freiheiten und von Tarifpartnern sprechen? Digitalisierung, Automatisierung und Nachwuchsmangel ist eines der drängendsten Probleme. Wenn aber Politiker suggerieren, Studium ist die Lösung unserer Bildungsfragen und das Handwerk und andere Berufszweige bleiben unterschätzt.“

Umsetzung des neuen Sozialstaats

Olaf Scholz: Der Bundesfinanzminister beklagt ein 25-Milliarden-Euro Loch. (Quelle: Hannelore Förster/imago)

  •  „Das klingt wie Weihnachten im Schlaraffenland. Bezeichnenderweise sind nur die Ziele genannt, nicht aber wie und auf welchem Weg sie erreicht werden sollen. Die Finanzierbarkeit und die rechtlichen, vor allem verfassungsrechtlichen Probleme, werden nicht einmal angesprochen.“
  • „Hat der neue SPD-Finanzminister Olaf Scholz nicht gerade erst gesagt, dass für gar nichts mehr Geld da ist? Und nun kommen von der gleichen SPD tolle Wundertüten.“
  • „Auch ein Rentner mit Kapital und kleiner Rente hat einen anderen Anspruch als mittellose Rentner mit kleiner Altersrente. Warum soll nun ein System gekippt, statt korrigiert werden?“

Voraussetzungen für das neue Konzept

Manuela Schwesig: Die Ministerin bei einem Festival für eine digitale Jugendkultur. (Quelle: epd/imago)

  • „Unser Arbeitsmarkt ist kein Wunschkonzert. Der Staat setzt aber Rahmenbedingungen und ist mit Schuld daran, wenn immer weniger Arbeit auch ‚ordentlich‘ bezahlt wird und infolge dessen immer mehr zukünftige Rentner nicht mehr von ihrer angesparten, eingezahlten Rente leben können. Die Lebenshaltungskosten, insbesondere die Fixkosten explodieren, was auch dem Staat anzulasten ist. Bezahlbarer Wohnraum ist immer mehr zu Mangelware geworden und insbesondere politische Entscheidungen haben dazu beigetragen. Jetzt ist die Politik gefordert, Lösungen zu präsentieren.“
  • „Was die beiden vorschlagen, liest sich gut. Bleibt nur noch die wichtige Frage, woher die Jobs genommen werden, wenn immer mehr im Zuge der Digitalisierung wegfallen. So ganz klar ist mir noch nicht, wie das mit dem Recht auf Arbeit gestaltet werden soll. Ich sehe das noch nicht.“
  • „Notwendig wären Arbeitsangebote, die in ausreichendem Umfang, bei geringerer Qualifizierung und geringerer Wochenstundenzahl auch unter menschenwürdigen Bedingungen angeboten werden. Ich sehe keinen Politiker, der das durchsetzen kann und will.“

 

  • Kühnert über Hartz IV: 
  • Neuer Sozialstaat: 
  • Kampf um die Wählergunst: 

 

Glaubwürdigkeit der Forderungen

Kevin Kühnert: Der Bundesvorsitzende der Jusos ist seit 2005 SPD-Mitglied und war einer der größten Gegner der großen Koalition. (Quelle: Becker&Bredel/imago)

  • „Solche Forderungen und ein solches Staatsverständnis führen in die Vergangenheit. Dass sowas nicht funktioniert, allen Arbeit zu versprechen, obwohl gar keine oder nicht genügend da ist, sollte auch jungen SPD-Mitgliedern bekannt sein. Mal schauen, wie diese Ideen weiterentwickelt werden.“
  • „Es ist zwar gut, dass die SPD ein neues Sozialstaatskonzept vorlegt. Nur die meisten betroffenen Bürger glauben ihr das nicht. Sie kann dieses Konzept in der GroKo nicht realisieren, weil die CDU dagegen ist. Wer heute über 50 Jahre alt ist, erhält in vielen Branchen keine Chance mehr. Ich glaube, dass die SPD hier die Rechnung ohne die Wirtschaft macht – trotz Weiterqualifizierung.“
  • „Das ist der erste vernünftige Vorschlag, den ich von der SPD in den letzten 10 Jahren zu lesen bekommen habe. Nach der ‚Ich-AG‘, ‚1-Euro-Jobs‘, ‚Aufhebung des Meisterzwanges‘ und dem Gipfel des Schwachsinns, ‚Bedingungsloses Grundeinkommen‘, ist es nun ein erster Hoffnungsschimmer, dass auch die SPD begreift, dass man das Prinzip ‚Leistung und Gegenleistung‘ nicht abschaffen kann, wenn am Ende der Staat noch bezahlbar bleiben soll.“

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