Prozess um Rizin-Bombenbau hat begonnen

Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf hat der Prozess gegen zwei mutmaßliche islamistische Bombenbauer begonnen. Ein Tunesier und seine deutsche Ehefrau sollen 2018 in Köln an einer Bombe mit dem hochgiftigen Bio-Kampfstoff Rizin gebaut haben. (Quelle: Reuters)

Hochgiftiger Bio-Kampfstoff: Der Prozess gegen zwei mutmaßliche Islamisten wegen Rizin-Bombenbaus hat begonnen. (Quelle: Reuters)


Der erste Terroranschlag in Deutschland mit einem biologischen Kampfstoff wurde anscheinend nur knapp vereitelt. Seit heute stehen die beiden mutmaßlichen Verantwortlichen vor Gericht.

Mit schweigenden Angeklagten und einem Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter hat am Freitag vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf der Prozess gegen die mutmaßlichen Rizin-Bombenbauer von Köln begonnen. Zum Auftakt des Staatsschutzverfahrens warf die Bundesanwaltschaft dem 30-jährigen Tunesier Sief Allah H. und seiner 43 Jahre alten deutschen Ehefrau Yasmin H. vor, eine hochgefährliche Biowaffe für einen islamistischen Anschlag hergestellt zu haben.

Es handelt sich um den bundesweit ersten Fall dieser Art. Zur Produktion der Biowaffe habe das Paar hochtoxisches Rizin in seiner Wohnung in Köln-Chorweiler produziert, sagte Oberstaatsanwältin Verena Bauer bei der Verlesung der Anklageschrift. In dem 15-stöckigen Hochhaus, in dem die beiden wohnten, hatte die Polizei 84,3 Milligramm des Supergifts und 3.150 Rizinussamen entdeckt, bestellt über bekannte Shoppingportale im Internet, bezahlt mit der Kreditkarte der Ehefrau.

Das Paar soll von der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) inspiriert worden sein. Beide Angeklagte hätten sich seit längerer Zeit mit den Zielen des IS identifiziert, so Bauer. „Sie wollten sich dem Dschihad anschließen.“ Sief Allah und Yasmin H. hätten sich entschlossen, einen Sprengsatz an einem belebten Ort zu zünden, um möglichst viele Ungläubige zu töten. „Der IS empfahl den Einsatz einer Streubombe.“

Zu Beginn des Prozesses schien der Hauptangeklagte Sief Allah H. so etwas wie einen Schwächeanfall zu erleiden. Als die Richter den Sitzungssaal betraten und sich alle anderen erhoben, musste sich der Hauptangeklagte hinter schusssicherem Glas setzen. Eine Wachtmeisterin fächelte ihm hektisch Luft zu, ein Wachtmeister eilte mit einem Becher Wasser herbei. Der Prozess um die Vorbereitung des knapp vereitelten ersten Terroranschlags mit einem biologischen Kampfstoff in Deutschland startete dennoch fast pünktlich.

H. und seine Ehefrau ließen über ihre Anwälte mitteilen, dass sie sich derzeit nicht zu den Vorwürfen äußern werden. Der Anwalt des Mannes stellte zudem einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Jan van Lessen. Die Hauptverhandlung wurde dennoch fortgesetzt, über den Antrag will der Staatsschutzsenat zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.

Das Gift testeten sie an einem Hamster

Das Paar soll laut Anklage 250 Stahlkugeln für den Bau der Bombe über das Internet bestellt haben, zudem auffällige Utensilien wie eine elektrische Kaffeemühle und Einzelteile für den Zünderbau. Sprengstoff hätten sie sich über in Deutschland nicht zugelassene Feuerwerkskörper beschafft. Der Angeklagte Sief Allah H. sei dazu eigens nach Polen gereist.

Das Gift hätten sie testweise einem Zwerghamster aufgetragen, den sie für diesen Zweck gekauft hätten. Das Tier habe aber überlebt. Auf einer Wiese habe der Angeklagte zudem eine Testsprengung vorgenommen.

Das Rizin sollte entweder mit einer Creme auf die Stahlkugeln aufgetragen werden und so in die Blutbahn der Opfer geraten, oder sich mit der Explosion als Staub verteilen und eingeatmet werden. Der Zugriff der Polizei nach dem Tipp eines ausländischen Geheimdienstes beendete das unheimliche Treiben im Juni 2018. Erst danach bemerkten die Ermittler, wie tief auch Ehefrau Yasmin durch die Funde belastet wird. Praktisch alle verdächtigen Utensilien wurden mit ihrer Kreditkarte bezahlt. Sie wurde einige Wochen später verhaftet.

Treueeid auf den IS-Anführer

Angeleitet worden sei das Paar vermutlich von IS-Kontaktleuten über den Messengerdienst Telegram. Über das Chatprogramm habe der 30-Jährige sogar den Treueeid auf den IS-Anführer Abu Bakr Al-Bagdadi abgelegt. Er habe zuvor zweimal vergeblich versucht, nach Syrien zu gelangen. Dann habe der Mann 32 Facebook-Accounts und einen Twitterkanal eingerichtet, um Propagandaarbeit für den IS zu betreiben. Als die Staatsanwältin dies vorträgt, lächelt der 30-Jährige kurz und klopft sich auf die eigene Schulter.

In einem Brief an seine Frau soll der Angeklagte später in der U-Haft behauptet haben, mit dem Rizin habe er doch nur sein malades Bein behandeln wollen. „Das Ergebnis unserer Ermittlungen spricht eine ganz andere Sprache. Wir haben objektive Spuren“, sagt Oberstaatsanwältin Bauer dazu.

Der Rizin-Anschlag hätte laut Gutachten bis zu 100 Todesopfer gefordert. Beiden Angeklagten drohen bis zu 15 Jahre Haft. Sie wollten sich am Freitag weder zu ihrem Vorleben, noch zu den Tatvorwürfen äußern.
 

 
Stattdessen stellt Verteidiger Serkan Alkan einen 70 Seiten langen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Jan van Lessen. Per Senatsbeschluss verhindert das Gericht die Verlesung. Dies würde das Hauptverfahren nur verzögern. Bis Ende August hat das Gericht für den Fall zunächst 18 Verhandlungstage anberaumt.

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