Die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main: Am Ende entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit von Staatsanleihenkäufen. (Quelle: imago)

Seit März 2015 hat die Europäische Zentralbank für beinah 2,6 Billionen Euro Staatsanleihen gekauft. Darf sie das? Fragen und Antworten vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs.

Zur Rettung des Euro haben Europas Währungshüter alle Register gezogen. Selbst Kritiker bescheinigen der Europäischen Zentralbank (EZB) unter Führung des Italieners Mario Draghi, den Währungsraum in den vergangenen Jahren stabilisiert zu haben.

Doch dass die Notenbank bis heute gewaltige Milliardensummen in den Kauf von Staatsanleihen steckt, ist umstritten. Wieder einmal ist das Urteil des Europäische Gerichtshofs (EuGH) gefragt.

Um welche EZB-Maßnahme geht es?

Um das milliardenschwere Anleihenkaufprogramm der Notenbank – im Fachjargon „Quantitative Easing“ (QE) genannt. Seit März 2015 erwirbt die EZB in diesem Rahmen Anleihen von Eurostaaten. Seit Juni 2016 stehen zusätzlich Unternehmensanleihen auf dem Einkaufszettel. Fast 2,6 Billionen Euro hat die EZB bisher in solche Papiere investiert. Seit Oktober 2018 liegt das Volumen bei monatlich 15 Milliarden Euro.

Warum kauft die EZB überhaupt Wertpapiere?

Oberstes Ziel der EZB sind stabile Preise und damit eine stabile Währung für die gut 340 Millionen Menschen in den 19 Staaten des Euroraums. Mittelfristig strebt die Notenbank für den Währungsraum eine Teuerungsrate (Inflationsrate) von knapp unter 2,0 Prozent an.

Weil die Teuerungsrate in den vergangenen Jahren sehr niedrig war, half die EZB nach, indem sie die Zinsen drastisch senkte und zugleich über den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen gewaltige Summen frisches Geld in Umlauf brachte. Die Theorie: Wenn mehr Geld im Umlauf ist, steigen die Preise und damit zieht auch die Inflationsrate an.

Was haben Staaten davon, dass die Notenbank ihre Anleihen erwirbt?

Staaten kommen so günstiger an frisches Geld. Denn sie müssen nicht so hohe Zinsen für neue Wertpapiere bieten, weil die EZB große Bestände kauft. Das hilft auch starken Volkswirtschaften.

Nach älteren Berechnungen der Deutschen Bank dürfte der deutsche Staat allein in den Jahren 2008 bis 2016 fast 260 Milliarden Euro an Zinsen eingespart haben. Darüber hinaus hat das Kaufprogramm der Notenbank einen psychologischen Effekt: Die EZB signalisiert Verbrauchern und Unternehmen damit, dass sie die Wirtschaft nicht im Stich lässt.

Darf die Notenbank überhaupt Anleihen kaufen?

Kritiker halten dies für Staatsfinanzierung mit der Notenpresse. Ein Vorwurf: Deutschland bezahle indirekt die Rettung überschuldeter Staaten und maroder Banken in Südeuropa. Zudem animiere das Anleihenkaufprogramm Staaten zum Schuldenmachen und bremse notwendige Reformen.

Der EuGH hatte jedoch bereits im Sommer 2015 entschieden: Grundsätzlich darf die EZB zur Euro-Rettung Staatsanleihen kaufen.

Wie argumentieren die Kläger nun vor dem EuGH?

Die Klage geht unter anderem von den Euro-Kritikern Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel aus, einst führende Vertreter der Alternative für Deutschland (AfD). „Das Resultat des Staatsanleihekaufprogramms ist doch, dass die EZB derzeit der mit Abstand größte Gläubiger der Eurostaaten ist“, sagt Lucke. „Also finanziert die EZB die Staatsverschuldung in ungeheurem Ausmaß.“

  • Weg vom Rekordtief:
  • Interview mit ifo-Chef Clemens Fuest:
  • Entscheidung Verfassungsgericht:

Die Klägerseite argumentiert zudem, dass die Entscheidung des EuGH darüber hinaus Strahlkraft hat, weil die EZB die Staatsanleihenkäufe mittlerweile zu einem Teil ihrem normalen geldpolitischen Instrumentariums erklärte habe.

Wie geht es mit dem Kaufprogramm weiter?

Europas Währungshüter haben den Ausstieg aus ihrer Anti-Krisen-Politik eingeläutet. An diesem Donnerstag (13.Dezember) dürfte der EZB-Rat formal das Ende neuer Anleihenkäufe zum Jahresende 2018 beschließen.

Schlagartig schließen wird die EZB die Geldschleusen aber nicht: Gelder aus auslaufenden Staats- und Unternehmensanleihen will die Notenbank vorerst erneut investieren.

Wer kontrolliert die EZB überhaupt?

Die Notenbank ist de jure unabhängig. Das war insbesondere den Deutschen bei der Gründung der gemeinsamen Notenbank zum 1. Juni 1998 wichtig, denn sie hatten mit der Deutschen Bundesbank gute Erfahrungen gemacht.

„Ich glaube, jeder wird heute sagen, dass wir auch dank Ihrer Arbeit, dank der Arbeit der Europäischen Zentralbank, heute besser dastehen als vor einigen Jahren mitten in der Krise“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) bei einem Besuch der EZB-Zentrale in Frankfurt im September dieses Jahres. „Das Wichtige für uns ist, dass die Unabhängigkeit der Bank in ihrer Entscheidung in jedem Falle gewährleistet bleibt.“

Darf die Notenbank also machen, was sie will?

Die EZB steht nicht außerhalb jeder Kontrolle, wie der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, im Juni 2016 anlässlich eines Urteils des höchsten deutschen Gerichts in einem anderen Verfahren um die Machtfülle der EZB betonte: „Die Europäische Zentralbank unterliegt wie jede europäische Institution kompetenzbeschränkenden Regeln, deren Einhaltung von Gerichten kontrolliert werden kann.“

Allerdings hat die EZB in der Regel schon lange Fakten geschaffen, bevor Gerichte abschließend urteilen. Im vorliegenden Fall fällt das Bundesverfassungsgericht auf Basis des EuGH-Urteils seine abschließende Entscheidung, denn der EuGH entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit.

Wie könnte das Urteil ausfallen?

Die Chancen für einen Erfolg der Kläger scheinen gering. Ein wichtiger EU-Gutachter hatte unlängst befunden, dass das Kaufprogramm rechtens sei. Es verstoße nicht gegen das Verbot der Staatsfinanzierung und gehe nicht über das Mandat der EZB hinaus, meinte EuGH-Generalanwalt Melchior Wathelet.

Die Einschätzung des Generalanwalts ist für die Richter des obersten EU-Gerichts nicht bindend, in der Mehrzahl der Fälle folgen sie ihr aber.

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