Die Abschiebung des vietnamesischen Dissidenten Nguyen Quang Hong Nhan und seiner Frau aus Deutschland nach Vietnam stößt auf heftige Kritik. Die Bundesregierung will den umstrittenen Fall jetzt überprüfen.

Schriftsteller Nguyen Quang Hong Nhan saß 20 Jahre lang in Vietnam im Gefängnis. „Propaganda gegen den sozialistischen Staat“ wurde ihm 1979 vorgeworfen. 2015 konnte er schließlich mit seiner Familie in Deutschland einen Asylantrag stellen. Doch vergangene Woche wurden er und seine Frau von den bayerischen Behörden von Nürnberg nach Hanoi abgeschoben.

Gleich nach seiner Ankunft war der Regimekritiker nach Angaben von Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat 14 Stunden lang von der Polizei verhört wurde. „Der Mann muss jetzt schleunigst wieder nach Deutschland“, forderte Thal. „Ein besseres Argument gegen seine Abschiebung als ein solches Verhör gibt es ja nicht.“ Vorerst sei er wieder frei, sagte Nguyen Quang Hong Nhans Anwalt Manfred Hörner dem Bayrischen Rundfunk. Der Asylantrag ist nach Aussage des Anwalts mit der Begründung abgelehnt worden, Nguyen Quang Hong Nhan sei nicht gefährdet. 

„Behördenversagen“ in Bayern

Bei Politikern und Verbänden stößt die Abschiebung des Schriftstellers auf Kritik. „Dass bayerische Behörden einmal mehr fragwürdig abschieben, zeugt von Behördenversagen“, sagte Gyde Jensen, Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Bundestag, der DW. Die FDP-Politikerin hält den bayrischen Behörden vor, sie würden wiederholt „Abschiebungen in Länder vornehmen, in denen Menschen weiterhin individuelle Verfolgung droht“. Und auch die Bundesregierung lässt die umstrittene Abschiebung eines vietnamesischen Dissidenten in seine Heimat überprüfen. 

Auch das PEN-Zentrum Deutschland protestierte gegen die Abschiebung. Der Vize-Präsident der Schriftstellervereinigung Ralf Nestmeyer nannte sie in einem offenen Brief „unverständlich, auch angesichts des Gesundheitszustands“ von Nguyen Quang Hong Nhan. Der Dissident hatte einen Schlaganfall erlitten und befindet sich seitdem in einem schlechten Zustand. Dem Schriftsteller würden zudem Repressalien in Vietnam drohen, da er in seiner Heimat als „Volksfeind“ gelte, sagte Nestmeyer.

Es ist nicht bekannt, wo in Hanoi Nguyen Quang Hong Nhan jetzt ist

Auswärtiges Amt will den Fall beobachten

Das PEN-Zentrum Deutschland forderte den bayerischen Innenminister Herrmann und den Leiter der BAMF-Behörde Hans-Eckhard Sommer auf, die Entscheidung im Fall Hong Nhan zu revidieren. Der bayerische Innenminister sieht sich aber offenbar als Adressat „nicht zuständig“. Sein Sprecher in München teilte der DW zwar mit, man sehe die „politische Brisanz“ des Falles, verwies aber an die Bundesbehörden: das Auswärtige Amt und das BAMF. Wenn diese Entscheidungen getroffen werden, sei man in München an die Umsetzung gebunden. 

Das Auswärtige Amt räumte ein, dass es bisher keine eigenen Erkenntnisse darüber habe, ob der Schriftsteller derzeit unter Hausarrest stünde oder wie er behandelt würde. Da es sich bei Nguyen Quang Hong Nhan nicht um einen deutschen Staatsangehörigen handele, sei eine konsularische Betreuung vor Ort nicht möglich. „Wir haben uns aber vorgenommen, den Fall weiter sehr genau zu beobachten“, sagte die Sprecherin des Auswärtigen Amtes Maria Adebahr in der Regierungskonferenz.

Wichtiger Autor in Vietnam

Seit 2015 lebte die Familie des vietnamesischen Schriftstellers Nguyen Quang Hong Nhan in Nürnberg. Dass sie zu dritt überhaupt aus Vietnam nach Deutschland reisen und dort den Asylantrag stellten konnten, war ihre große Chance. Als ehemaliger politischer Häftling durfte er das Land damals eigentlich nicht verlassen. Doch 2015 konnte er seine musikalisch hochbegabte, damals minderjährige Tochter Hoi An gemeinsam mit seiner Ehefrau zu einem Wettbewerb nach Europa begleiten. Auf dieser Reise beantragte die Familie in Nürnberg politisches Asyl. Nguyen Quang Hong Nhan gehört zu den wichtigen vietnamesischen Autoren und war auch politisch als Menschenrechtsverteidiger aktiv.

Vier Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland wurden er und seine Frau abgeschoben – am 26. März 2019 aus München über Bangkok nach Hanoi. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte ihre Asylanträge ab. Gerichte in zwei Instanzen bestätigten die Entscheidung. Welchen Einfluss das politische Engagement des Menschenrechtlers auf die Entscheidung hatte und warum sein schlechter gesundheitlicher Zustand nach einem Schlaganfall kein Hindernis für die Abschiebung war – dazu wollte sich das BAMF noch nicht äußern. „Die Behörde werde sich das Verfahren nochmals näher ansehen“ – heißt es. 

Abschiebung trotz drohender Repression

Mittlerweile hat der Bayerische Landtag den Fall auch aufgegriffen. Man sei „bestürzt“ darüber, dass die Behörden den Gesundheitszustand des Vietnamesen nicht berücksichtigt hätten, so die SPD- und Grünen-Fraktionen im Nürnberger Rathaus. Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert mittlerweile die Wiedereinreise des Ehepaares, schreibt die Zeitung „taz“, die als erste über den Fall berichtete.

Hans-Eckhard Sommer ist der Präsident des Bundesamtes für Migration (BAMF)

Der Writers-in-Prison-Beauftragte des deutschen PEN-Zentrums, Ralf Nestmeyer, äußerte zudem sein Bedauern darüber, dass sich der vietnamesische Schriftsteller nicht mit seinen Problemen an die Vereinigung gewandt hatte. Von der Abschiebung erfuhr Nestmeyer erst aus der Presse, sagte er im Gespräch mit DW. „Wie man einen Autor, dessen Lebensgrundlage die Freiheit des Wortes ist, in ein Land abschieben kann, das für Repression und Zensur bekannt ist?“, fragt Nestmeyer in seinem offenen Brief. Ein Vietnamese aus Bayern hat mittlerweile eine Petition gestartet mit der Forderung, das Ehepaar wieder zurück nach Deutschland zu holen.  

Droht der Tochter auch Abschiebung?

Menschenrechtsorganisationen bemühen sich jetzt um das Schicksal der in Deutschland verbliebenen 19-jährigen Tochter des abgeschobenen Ehepaares Hong-An. Die 19-Jährige studiert an der Hochschule für Musik in Nürnberg Klavier. Da sie sich asylrechtlich in derselben Situation wie ihre Eltern befindet, könnte auch sie abgeschoben werden – dies teilte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag Gyde Jensen der DW mit.

Da sie keine Reisedokumente hat, wurde sie vorerst nicht abgeschoben. Die Stadt Nürnberg bewertet die Situation der Tochter derzeit anders. Sie räumt ein, dass „derzeit jedenfalls keine Abschiebung droht“. Die junge Vietnamesin habe den Duldungsstatus.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

Team Liquid gewinnt auch Blast Series Pro in Los Angeles

Los Angeles (dpa) – Unaufhaltsam hat sich Team Liquid bei der Blast Pro Series in Los Ange…