Bischöfin, Priesterin, Diakonin, warum nicht? Katholikinnen wehren sich gegen die Vormacht männlicher Würdenträger. Mit „Frauenstreiks“ unter dem Motto „Maria 2.0“ fordern sie Gleichberechtigung bei allen Ämtern.

Wollen nicht mehr schweigen: Katholikinnen rufen zum „Frauenstreik“ auf

Kaum ist ein Telefonat beendet, klingelt das Mobiltelefon von Lisa Kötter schon wieder. Die freischaffende Künstlerin aus Münster stieß im Januar in ihrer Kirchengemeinde die Idee zu einem „Kirchenstreik“ katholischer Frauen unter dem Motto „Maria 2.0“ an.

Die Idee einer Aktion vor Ort zog und zieht ihre Kreise. „Es sind Hunderte von Gruppen im deutschsprachigen Raum, es sind zehntausende Menschen, die mitmachen“, sagt Lisa Kötter der Deutschen Welle. Und nicht nur das. Kötter bekam auch Unterstützung aus der slowakischen Hauptstadt Bratislava, aus New York, sogar aus Australien. Mittlerweile ist das Organisationsteam auf 15 Frauen angewachsen.

Von diesem Wochenende an wollen Katholikinnen eine Woche lang gegen die männliche Dominanz und die Ausgrenzung von Frauen in ihrer Kirche protestieren und für eine Erneuerung der Kirche und einen anderen Umgang mit Macht demonstrieren. Der Gedanke kam aus der Münsteraner Pfarrei Heilig Kreuz, nicht von irgendeinem Verband von oben. Zwischenzeitlich ermunterten die großen katholischen Frauenverbände in Deutschland, die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) und der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB), ihre Mitglieder, den „Kirchenstreik“ zu unterstützen.

„Die Angst ist weg“: Katholikin Lisa Kötter, Initiatorin von „Maria 2.0“

Ein Scherbenhaufen

So werden Frauen, die in vielen Gemeinden – beim Gottesdienstbesuch wie bei der ehrenamtlichen Arbeit – zu den tragenden Säulen zählen, in vielen Teilen Deutschlands, in Westfalen wie in Thüringen, in Berlin wie in Baden-Württemberg, schweigend vor ihrer Kirche stehen, zu eigenen Wort-Gottes-Feiern einladen, Mai-Andachten vor ihrem Gotteshaus feiern, Plakate malen.

Eine Gruppe, sagt Kötter, habe angekündigt, einen Scherbenhaufen vor der Kirche zu errichten, als Symbol für den Zustand ihrer Kirche. Und in der Schweiz trifft sich eine Gruppe von Theologinnen zum „Basteln“ für pinke Mitras, also jene markante Kopfbedeckungen, die katholische Bischöfe im liturgischen Rahmen tragen.

Eine Idee findet Lisa Kötter besonders schön. In Kassel laden Katholikinnen zu sogenannten „Tuch-ins“ ein. Dabei wird ein weißes Tuch über 20 Meter lang vom Altar bis hinaus vor die Kirche gelegt. Frauen und auch Männer können dann ihre Schuhe Richtung Ausgang auf das Tuch stellen und vor der Kirchentür gemeinsam Gottesdienst feiern. Die Schuhe werden so zum Symbol für jene Frauen, die der Kirche den Rücken kehren.

Fromm und frech: Frauen halten parallel zur Messe in St. Maria Magdalena in Sonsbeck einen Gottesdienst vor der Kirche

Die Aktion stehe dafür, dass Frauen „regelrecht hinaus getrieben werden durch das Verhalten der Kirche“, sagt Lisa Kötter. Und sie nennt die jüngste Äußerung eines für die Ausbildung von Priestern verantwortlichen Kölner Geistlichen, der Homosexualität als Krankheit beschrieben hatte. So etwas „treibt die Leute aus der Kirche raus“, ist Kötter überzeugt.

Einbestellt zum Gespräch

Wie geht die Männerkirche, wie gehen insbesondere die Bischöfe mit dem wachsenden Protest von Frauen um? Lisa Kötter kennt diverse Fälle, in denen Kirchen-Angestellte, die den Streikaufruf auf ihrer Facebook-Seite geteilt haben, vom Personalchef ihres Bistums zum Gespräch einbestellt worden seien. Und sie bekommt reihenweise Mails oder Briefe von Geistlichen, die sie ermuntern, aber nirgendwo namentlich auftauchen wollen.

Kirche im Jahr 2019. Bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz Ende Februar standen gut 300 Frauen nach dem Gottesdienst zum Auftakt der Veranstaltung protestierend vor dem Hauptportal der Hauptkirche von Lingen. Zwei der rund 70 Bischöfe blieben stehen, und einige mehr winkten verlegen, als sie Minuten später im Bus an ihren Glaubensschwestern vorbeirollten.

Bereits beim Katholikentag 2016 in Leipzig forderten Frauen den Zugang zu kirchlichen Weiheämtern

In dieser Woche bekundete der Freiburger Erzbischof Stephan Burger Verständnis für die Forderungen nach der Weihe von Diakoninnen und Priesterinnen in der katholischen Kirche. Er sehe aber keinen Spielraum, die kirchenrechtlichen Vorschriften zu ändern, fügte Burger hinzu.

„Rein kirchenrechtlich ist es zurzeit nicht möglich, dass Frauen Zugang zu Weiheämtern bekommen“, sagte er der „Badischen Zeitung“. Er könne sich vorstellen, dass „es frustrierend ist, wenn aufgrund des Geschlechts der Zugang zu diesem Beruf, besser gesagt, zu dieser Berufung versperrt ist“.

„Die Angst ist weg“

Laut Kötter ist ein einziger Bischof auf Facebook mit „Maria 2.0“ befreundet, und zwar der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. „Aber er hat auch keinen Kontakt zu uns aufgenommen“, ergänzt sie. „Ansonsten ist Schweigen im Walde. Und Schweigen ist natürlich mit der Hoffnung verbunden: Das wird wieder im Sande verlaufen. Aber das glaube ich nicht. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen sich jetzt selbst ermächtigen“.

Das Instrument, das sonst immer so gut funktioniert habe, nämlich die Angst, den Mund aufzumachen, wirke nicht mehr, ist die katholische Frauenrechtlerin überzeugt. „Die Angst geht weg. Und Angst ist ja ein ganz großes Steuerungssystem in der römisch-katholischen Kirche. Aber die Angst bei den Menschen ist weg. Und es wird nicht im Sande verlaufen.“

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