Warum hat Klaus O. Gift auf die Pausenbrote von Kollegen gestreut? Eine Antwort darauf werden die Opfer wohl nicht mehr bekommen, der nun Verurteilte schweigt. Das Gericht sprach von einer „gespenstischen“ Serie. 

Klaus O. (rechts) kommt mit seinem Verteidiger am Tag der Urteilsverkündung in den Gerichtssaal

Es ist ein rätselhafter Fall. Jahrelang hat der Industriemechaniker Klaus O. seine Arbeitskollegen mit vergifteten Pausenbroten und Getränken gesundheitlich geschädigt. Völlig unklar ist, was er damit bezweckt hatte. Das Landgericht Bielefeld verurteilte den 57-Jährigen nun wegen versuchten Mordes und verschiedener Körperverletzungsdelikte zu lebenslanger Haft. Da die Richter von einem Hang zu weiteren schweren Straftaten ausgehen, ordneten sie die anschließende Sicherungsverwahrung für den Mann an. Das Gericht stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest, womit eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen ist.

Einer von Klaus O.s Kollegen aus dem Betrieb im ostwestfälischen Schloß Holte-Stukenbrock hatte wiederholt ein auffälliges weißes Pulver auf seinen Broten entdeckt und schließlich abfotografiert. Eine schnell eingerichtete Videoüberwachung überführte Klaus O. auf frischer Tat. Als er sich unbeobachtet glaubte, ging O. an die Taschen der Kollegen, streute das Pulver auf die Brote und packte alles seelenruhig wieder zurück. Das war im Frühjahr 2018. An einen Mordversuch dachte bis zu diesem Zeitpunkt noch keiner der Kollegen, eher an einen schlechten Scherz. Bei Klaus O. fanden die Ermittler verschiedene Chemikalien wie Bleiacetat, Cadmium, Blei und Quecksilber sowie eine Notizenkladde. Außerdem belegten Spuren auf seinem Computer, dass er sich mit Chemikalien beschäftigte.

Der Beschuldigte schweigt

Der Anwalt eines der Opfer sagte vor dem Prozessbeginn am 15. November 2018: „Es gab ein Vertrauensverhältnis wie in jedem Betrieb unter Kollegen; keiner hat mit so etwas gerechnet.“ Der gelernte Werkzeugmacher Klaus O. galt als technisch versiert, half bei Problemen, ging ansonsten seinen Kollegen aus dem Weg. Ein Gespräch über Privates bei einer Tasse Kaffee gab es nicht, aber auch keinen Streit.

Vor dem Landgericht Bielefeld geht es um versuchten Mord

Die ehemaligen Kollegen appellierten an den Angeklagten, sich endlich zum Motiv zu äußern. Sie wollten aus seinem Mund hören, warum sie über Jahre nach wiederholten Vergiftungen immer schlimmer nierenkrank wurden. Ein dritter Kollege konnte nicht mehr selbst an dem Verfahren teilnehmen. Seine Eltern schilderten im Zeugenstand, wie ihr früher lebensfroher Sohn zunächst über leichte Taubheitsgefühle und Schwächephasen klagte, rätselhafterweise immer schwerer erkrankte und heute im Wachkoma liegt. Mit einem schweren Hirnschaden ist er ein Pflegefall. Aussichten auf Besserung gibt es nicht.   

„Wie ein Wissenschaftler, der mit Kaninchen experimentiert“

Anhaltspunkte zum Motiv liefern eventuell fünf Gespräche, die der Angeklagte in den vergangenen Monaten in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld mit einem Psychologen geführt hat. Diesem JVA-Mitarbeiter zufolge wollte der Angeklagte wie ein Wissenschaftler mit den Giftstoffen experimentieren. Nach seinem Eindruck habe der 57-Jährige an seinen Kollegen beobachten wollen, wie das Gift auf ihren Pausenbroten wirkt, sagte der Psychologe am Dienstag als Zeuge vor dem Landgericht Bielefeld aus. „Seine Äußerungen zu seinem Motiv kamen mir vor wie bei einem Wissenschaftler, der ausprobiert, wie Stoffe wirken bei einem Kaninchen“, sagte der Psychologe. Ansonsten bleiben nichts als Spekulationen.

Staatsanwaltschaft forderte lebenslange Haft

Die Richter folgten der Forderung der Staatsanwaltschaft nach lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Lebenslange Haftstrafen bei versuchtem Mord sind in Deutschland eher die Ausnahme. „Ich habe so ein Urteil in meiner Karriere erst einmal erlebt“, so der Berliner Opferanwalt Roland Weber vor der Urteilsverkündung. Da Klaus O. als psychisch gesund gilt, ist er voll schuldfähig. Eine Strafminderung schied aus.  

Die Verteidiger vertraten die Auffassung, wegen der beiden Fälle, bei denen die mutmaßlichen Opfer Nierenschäden davontrugen, sei allenfalls eine Freiheitsstrafe von höchstens neun Jahren zu rechtfertigen. Ein Bezug zur Hirnschädigung des dritten Opfers sei Klaus O. im Verfahren nicht nachgewiesen worden. Dass alle 21 Todesfälle seit dem Jahr 2000 in dem Betrieb überprüft wurden, sei eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen. Zum Abschluss der Plädoyers äußerte sich der bislang schweigende Angeklagte erstmals selbst. „Ich schließe mich den Ausführungen meiner Verteidiger vollumfänglich an“ – das blieb sein einziger Satz.

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