Was ist kreisrund, blendend weiß und im Sommer wieder verschwunden? Das Urlaubsiglu! Man kann es wie ein Hotelzimmer buchen oder selber bauen. DW-Reporter Tankred Gugisch hat sich getraut – und gebaut.

Wir sind extra früh aus München aufgebrochen und stecken jetzt fest. Mein Sohn Scott und ich haben eine Verabredung auf der Zugspitze – und jetzt das. „Ja, geht doch weiter!“, werden wir angeherrscht – doch wo ein Wille ist, ist im Moment kein Weg. Samstag 11 Uhr, der Waggon der Eibsee-Seilbahn ist proppenvoll, die Stimmung hinter den beschlagenen Scheiben wenig urlaubsgerecht. Zehn Minuten später ist der Ärger vergessen: Die Zugspitze empfängt uns mit Traumwetter. Minutengenau reißen die Wolken auf und geben den Blick über weiße Gipfel frei, über Österreich hinweg bis nach Italien und in die Schweiz.

Scott und ich steuern auf das etwas tiefer gelegene Iglu-Dorf auf dem Zugspitzplatt zu, das hier jeden Winter als Hotel für die zahlende Kundschaft errichtet wird. Der Iglu-Komplex besteht aus mehreren Zimmern, Gängen und einem großen Restaurant aus Schnee. Etwas abseits soll heute unser Iglu gebaut werden, klassisch im Inuit-Stil aus Schneesteinen. Einzellage – sehr romantisch. Als „Love Nest“ wird er später über das Iglu-Dorf zu buchen sein. Ein Schneeklotz groß wie eine Garage steht schon bereit, um vermessen und in Bausteine zersägt zu werden.

Stein auf Stein: Ohne den richtigen Schnee ist der klassische Iglu-Bau nicht zu machen.

So ganz nach körperlicher Arbeit ist mir allerdings noch nicht zumute, denn hier oben hat man am Sauerstoff gespart. 2700 Höhenmeter, da fällt das Atmen schwer. So bin ich froh, als sich Jan Wernet zu uns gesellt. Der Chef des Iglu-Dorfs stellt die beiden erfahrenen Helfer Wolfgang Rainer und Michael Elstner vor, dann sich selbst. „Ich bin der Jan“, sagt er freundlich und erklärt den Tagesplan. Die Theorie rettet mich noch einige Atemzüge lang vor der Praxis. Wir werden alle gemeinsam ein Iglu bauen, und Scott und ich sollen dabei lernen, wie das funktioniert – so viel steht fest.

Aller Anfang ist Schnee

Als erstes lernen wir: Alles steht und fällt mit dem Schnee, von dem es reichlich braucht. Um den weißen Puder in stabile Bausteine zu verwandeln, nutzen Profis wie Jan und sein Architekt Wolfgang schweres Gerät – eine Schneefräse. Sie pustet ratzfatz unseren Baustoff in eine Verschalung und entzieht ihm dabei zugleich die Luft. Den Rest regeln Zeit und Schwerkraft. Der Schnee verdichtet sich.

Ein dickes Ding: So sieht der Schnee aus, wenn er aus der Form kommt.

Wer keine Schneefräse besitzt, kommt mit Muskelkraft ans Ziel. Dann heißt es, den Schnee feststampfen. War Frau Holle fleißig, und der Schnee ist schön kompakt und griffig, kann man sich direkt aus dem „Depot“ am Boden bedienen.

Regel Nummer zwei: Augenmaß braucht es bei der Wahl des Ortes. So ein Schneestein ist schwer, 30 Kilo sind schnell erreicht. Der Weg zwischen Lager und Iglu-Baustelle sollte daher möglichst kurz sein. Unser Platz verdient den Neid jedes Iglu-Architekten. Wir thronen auf einem Hügel, das Schnee-Depot in Griffweite, die Bergwelt fürs Gemüt rundherum. So macht das Schuften Laune.

Es geht los: Zu Baubeginn markiert ein Stock im Boden den Mittelpunkt der späteren Behausung, eine einfache Schnur daran ersetzt alle Mathematik. Innengröße, Form und auch die spätere Neigung der Kuppel – alles lässt sich mit diesem drehbaren Strick am Stab vermessen. Verrutschen sollte er dabei allerdings nicht.

Stein für Stein zum Iglu

Schneeblock um Schneeblock wuchten wir an die richtige Stelle. Bis zu 80 cm lang sind sie, dazu etwa 30 cm hoch und tief. Chef Jan hat sie mit der Motorsäge aus dem verdichteten Schnee geschnitten, Tüftler Wolfgang passt sie akribisch in den Iglu-Ring ein. Dafür werden die seitlichen Kanten der Steine mit einer Schneesäge angeschrägt, so dass der nächste Block passgenau herangerückt werden kann. Was trotz Feinarbeit an Lücken bleibt, wird von beiden Seiten mit Schnee versiegelt werden. Der ideale Job für die Hilfsarbeiter – Scott und mich.

Der Iglu wächst: Der Eingang wird als letztes gebaut.

Die Überraschung kommt mit der zweiten Schneestein-Schicht. Als die zweite Reihe an Steinen steht, nun schon leicht nach innen gekippt, nimmt Wolfgang die Säge und vernichtet unsere Arbeit. Jedenfalls teilweise. Er setzt am höchsten Stein an und sägt den Schnee die gesamte Runde herum spiralförmig nach unten weg. Vom letzten Stein bleibt dabei kaum die Hälfte übrig. Ein trauriger Anblick. Aber wie sehen es ein, diese Zerstörung folgt einem höheren Plan und ist offensichtlich notwendig für die Stabilität während des Baus.

So geht es Schicht für Schicht: Steine anpassen, spiralförmig kürzen, neue Schicht – bis am Ende nur noch ein kleines Loch zum Himmel bleibt. Beim Einsetzen des Schlusssteins, der von innen in die finale Form gebracht wird, ist es schon dunkel geworden. Der Ein- beziehungsweise Ausgang für Iglu-Innenarbeiter Wolfgang wird erst tief in der Nacht durch den Schnee gegraben.

Der letzte Schliff

Am Ende ist es majestätisch schön. Am nächsten Tag wird der Bau noch auf Hochglanz poliert, auch von innen, damit kein Wasser von unerwünschten Kanten tropft. Die Gäste, die das „Love Nest“ künftig buchen, werden zufrieden sein. Denn zu buchen ist es ab sofort, beim Iglu-Dorf auf der Zugspitze. Kostenpunkt: 259 bis 299 Euro pro Person und Nacht.

Eine runde Sache: Dieser Iglu ist jetzt bewohnbar!

Wer auf der Zugspitze sein ganz eigenes „Love Nest“ bauen möchten, wendet sich am besten an die Betreiber des Iglu-Dorfs. Das gilt auch für den Fall, dass man einen Kurs im Iglu-Bau buchen will, was gerade mit Freunden lohnen kann. Auch anderswo in den Alpen ist das möglich, in den Iglu-Dörfern in Engelberg und Zermatt in der Schweiz zum Beispiel. Die Kosten fallen dann allerdings noch etwas höher aus. Gebucht werden können die meisten Angebote online oder per Telefon. Günstigere Angebote zum Iglu-Bau in geringeren Höhen gibt es zum Beispiel im Allgäu und in der Steiermark. Und schließlich bleibt ja immer noch der heimische Garten als kostengünstiger Baugrund – genügend Schnee vorausgesetzt.

Scott und ich sind froh, dass man uns für diese Nacht auf der Zugspitze einen fertigen Schneepalast im Iglu-Hotel zugewiesen hat, nebst heißer Rinderbrühe und Käse-Fondue, die für alle Gäste im Preis enthalten sind. Wir genießen sie im großen Rund der Restaurant-Bar – einer Art Mega-Iglu, das bestimmt 50 Personen fasst. Ein langer Schneegang führt von hier zu den Zimmern. Und so schlafen wir schließlich bei 0 Grad prächtig ein, warm eingehüllt im bereitgestellten Extremschlafsack.

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