Geschlossenheit und Entschlossenheit. Das sind die Botschaften der CDU und ihrer neuen Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer für dieses Jahr mit seinen vielen Wahlen und der Brexit-Krise. Aus Potsdam Christoph Strack.

Nun steht sie im Zentrum: Annegret Kramp-Karrenbauer zwischen Paul Ziemiak (Mitte links) und Manfred Weber (Mitte rechts). Weiter außen: Armin Laschet und Angela Merkel.

Er war nicht da. Und doch war es so, als würde er die ganze Zeit im Tagungssaal des Kongresshotels Potsdam stehen: Friedrich Merz. Gerade am Auftaktabend der knapp zweitägigen Klausursitzung des CDU-Bundesvorstands ging es wiederholt um ihn. Der im Rennen um die Nachfolge von Parteichefin Angela Merkel unterlegene Kandidat, der keinem Parteigremium angehört, ist Bezugspunkt vieler Christdemokraten – gerade für Merkel-Kritiker. Die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer wandte sich in diversen Interviews rund um das Potsdamer Treffen gegen Spekulationen um die Nachfolge im Kanzleramt. Und sie betonte zugleich doch, dass der Parteivorsitzenden das erste Zugriffsrecht zustehe – im Falle eines Falles…

Nun zeigte sich die neue Rollenverteilung der CDU. Merkel, die Anfang Dezember bei einem Parteitag in Hamburg den Vorsitz nach über 15 Jahren abgegeben hatte, schritt recht entspannt durch das Tagungshaus, äußerte sich nicht vor Kameras und nicht im Randgespräch mit Journalisten – und saß im Saal gleich neben ihrer Nachfolgerin am Tisch der Parteispitze.

Chefin und Geselle

Kramp-Karrenbauer, die nach gut eineinhalb Jahren als Generalsekretärin durchgestartet war und sich gegen die männlichen Konkurrenten Friedrich Merz und Jens Spahn durchgesetzt hatte, war bei ihrem ersten CDU-Großtermin omnipräsent, tauchte öfter zu Statements vor der CDU-Stellwand auf. Und wenn dann der neue Generalsekretär Paul Ziemiak neben der 56-jährigen neuen Vorsitzenden stand, die er an Körpergröße deutlich überragt, wirkte der 33-Jährige doch wie ein Geselle. Lehrjahre sind keine Herrenjahre. AKK, wie sich die schnellsprechende und jedes Sachthema beherrschende Chefin auch selbst gelegentlich nennt, lässt ihm dann manchmal bereitwillig das Wort. 

AKK gut gelaunt zwischen ihren ihren damaligen Konkurrenten Jens Spahn (l.) und Friedrich Merz (r.) bei einer „Bewerbungsveranstaltung“ am 7. Dezember in Hamburg

Nicht nur beim Thema, wie die Partei mit Merz umgehen oder zurechtkommen wird, schaut manches Vorstandsmitglied gespannt auf die nächsten Monate. Das gilt auch für die Bilanzierung der Flüchtlingspolitik seit dem Herbst 2015. Kramp-Karrenbauer sprach schon bevor sie Parteichefin wurde von einem noch einzurichtenden „Werkstattgespräch“, auf dem das Thema Flüchtlinge bilanziert werden soll – auch um zu verhindern, dass der Merkel-Partei das Thema so ewig nachhängt wie der SPD die Sozialreformen der „Agenda 2010“ des einstigen Kanzlers Gerhard Schröder. Das „Werkstattgespräch“ soll nun am 10. und 11. Februar in Berlin stattfinden – wohl ohne Merkel. „Dort wollen wir uns vergewissern: Was ist genau bisher passiert? Wo stehen wir heute? Was müssen wir tun oder verändern“, erläuterte Ziemiak.

Verunsicherung

Ergänzen sie sich gut? Paul Ziemiak und AKK

Bei dem „Werkstattgespräch“ möchte Kramp-Karrenbauer mit Menschen aus der Praxis sprechen – und damit einen Beitrag leisten, um „Nervosität und Verunsicherung“, die sich nach Gewalt-Vorfällen durch Flüchtlinge immer wieder in Deutschland zeigten, in den Griff zu bekommen.

Kramp-Karrenbauer stellte – gerade im europäischen Vergleich – „Stabilität und Wohlstand“ als prägend für Deutschland 2019 heraus, mahnte aber zugleich, Wohlstand und Wachstum seien „in die Jahre gekommen“. Deswegen müsse bei Wirtschaft- und Strukturfragen, auch beim Thema Sicherheit, modernisiert, überprüft, auch „neu justiert“ werden.

Trotzdem sollen die Bürger bei zumindest zwei Themen konkrete finanzielle Schritte sehen. Da ist zum einen der Wegfall des sogenannten Solidaritätszuschlags, den der Bundestag vor fast 29 Jahren zum Aufbau in Ostdeutschland nach dem Fall der Mauer eingeführt hatte. Spätestens 2021 soll er gefallen sein (dann steht nach jetziger Planung die nächste Bundestagswahl an). Zum anderen soll es nun rasch eine „Grundrente“ geben, die gerade für Menschen in Ostdeutschland wichtig wäre.

Drei der fünf ostdeutschen Bundesländer wählen in diesem Jahr neue Landesparlamente. Der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring sprach in Potsdam von notwendiger „Wertschätzung“ und verwies auf die schwierigen Jahre derer, die in Ostdeutschland im Rentenalter nur geringe Bezüge hätten. Er nannte seine eigene Mutter; sie habe 45 Jahre gearbeitet und doch nur wenig Rente. Solche Menschen müssten im Alter erkennbar mehr bekommen als die Grundsicherung derer, die nie berufstätig waren. Ob das 100 Euro oder zehn Prozent mehr sind, das ist noch offen, ebenso wie der konkrete Weg der Finanzierung. Aber die CDU will das rasch angehen.

Geschlossenheit

Bei der Europawahl steht er im Zentrum: Manfred Weber, der Kandidat der Europäischen Volkspartei EVP.

In einem Punkt gab es sehr demonstrative Geschlossenheit. Zur Europawahl in gut vier Monaten bestimmte auch die CDU nun Manfred Weber von der bayerischen Schwesterpartei CSU, bislang Fraktionschef der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, zu ihrem Kandidaten. Damit haben beide Unionsparteien erstmals überhaupt einen gemeinsamen Spitzenkandidaten. Und sie wollen auch ihren Europa-Wahlkampf strategisch und inhaltlich miteinander abstimmen. Da zeigt sich eine Innigkeit der konservativen Parteischwestern wie seit vielen Jahren nicht mehr.

Schon am Samstag können beide, Kramp-Karrenbauer und Weber, das weiter pflegen. Dann sind sie zu Gast beim CSU-Parteitag in München, der gleichfalls einen Führungs- und Generationswechsel – von Horst Seehofer zu Markus Söder – an der Parteispitze beschließen soll. München wird eine selbstbewusste CDU-Chefin erleben. Mit der Botschaft der Entschlossenheit und der Geschlossenheit.

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