Der Digitalexperte Markus Beckedahl ruft zu einem bewussteren Umgang mit persönlichen Daten auf. Die meisten Menschen seien sich der Gefahren des Internets nicht hinreichend bewusst. Es brauche eine Bildungsinitiative.

Lächerlich gemacht habe sich Deutschland in dem Skandal um gehackte Privatdaten bekannter Politiker nicht gerade, sagt Markus Beckedahl, vergleichbare Fälle gebe es schließlich auch in anderen Ländern. Neu an dem aktuellen Datenklau, sagt er im DW-Interview der Woche, sei allerdings eines: „Wir haben jetzt zum ersten Mal auf Prominentenebene viele Fälle zu sehen bekommen. Das hat jetzt eine gesellschaftliche Debatte darüber entfacht, ob wir in Sachen IT-Sicherheit gut gerüstet sind.“

Beckedahl ist Chefredakteur des Blogs „netzpolitik.org“ und gilt als einer der führenden Digitalexperten in Deutschland. Und, was die Qualität der Datensicherheit in Deutschland angeht, ist er skeptisch: Wenn es sich nicht mutmaßlich um einen zwanzigjährigen Einzeltäter, sondern um professionelle Hacker handeln würde, dann hätten sie – etwa mit Spionagesoftware – einen sehr viel größeren Schaden anrichten können. In dem Fall, nimmt Beckedahl an, hätten auch die Behörden noch viel schlechter ausgesehen als ohnehin.

Die Ermittlungsbehörden stehen in der Kritik, viel zu spät Anzeigen von einzelnen Opfern des Hackers nachgegangen zu sein: „Wir sind überrascht, dass verschiedene Betroffene sich offenbar bereits im Dezember an Behörden gewandt habe und diese Stellen nicht in der Lage waren, ein Muster in den Datenlecks zu erkennen.“ Erst als sehr viele Daten im Internet kursierten, hätten die Ermittlungen begonnen. Dann jedoch hätten die Fahnder den mutmaßlichen Täter binnen Tagen aufgespürt.

In diesem Ermittlungsverlauf sieht Beckedahl seine Kritik bestätigt, die er regelmäßig übt, wenn deutsche Sicherheitsbehörden mehr Kompetenzen zu präventiven Maßnahmen fordern: „Warum braucht man denn dann noch so viel mehr Überwachungsmöglichkeiten, wenn man einfach mal seine Arbeit tut und es dann auch mit den derzeitigen Möglichkeiten schafft?“

„Das Internet ist irgendwie vom Himmel gefallen“

Der jüngste Datenskandal decke ein grundsätzliches Problem auf, sagt Beckedahl: nämlich die insgesamt eher beschränkte Medienkompetenz der Deutschen – der Durchschnittsbürger ebenso wie der Politiker. „Für die meisten von uns ist das Internet irgendwie vom Himmel gefallen. Wir sind damit nicht groß geworden.“ Es reiche nicht, sich mit dem eigenen Mobiltelephon auseinander zusetzen. „Vielmehr müssten wir eigentlich die Verantwortung begreifen, die das Posten mit sich bringt – die Fragen rund um Datensicherheit, Datenschutz, IT-Sicherheit. Und wer bringt uns das bei? Niemand.“

Aufregung um Datenklau: Sitzung des Innenausschusses, Januar 2019

Anstelle von Überwachung fordert Beckedahl vom Staat Aufklärung und nennt die Verkehrserziehung als Beispiel, die es seit den 1970er Jahren in Deutschland gibt. „Wo sind solche Anstrengungen, um unterschiedlichen Zielgruppen heute diese Aspekte nahezubringen? Wo sind die großen, staatlichen Programme, um beispielsweise auf dem flachen Land, in Bibliotheken, in Volkshochschulen der Generation meiner Eltern dieses Rüstzeug mitzugeben?“ Es fehle an entsprechenden Initiativen, moniert Beckedahl, und das dürfte absehbar Folgen haben. „Wenn wir weiterhin davon ausgehen, jeder müsse sich selbst mit Fragen der IT-Sicherheit auseinandersetzen, werden wir noch viele Fälle wie den der vergangenen Woche erleben. Denn wer hat dafür schon Zeit und die entsprechende Muße?“

Allerdings sieht der Beckedahl nicht allein die Politik in der Pflicht, sondern redet auch den Menschen selbst ins Gewissen: „Unter der Bevölkerung ist zwar ein hohes Bewusstsein für Datenschutz da, aber um ein paar Cent zu sparen, gibt jeder gerne seine Daten an der Tankstelle preis.“

Verständnis für Habecks Twitter-Abschied

In Schwung kam die Debatte um die digitalen Medien diese Woche auch durch die Ankündigung von Grünen-Chef Robert Habeck, seinen Twitter-Account zu löschen und sich auch aus Facebook zurückzuziehen. Im thüringischen Landtagswahlkampf hatte er über Twitter ein Video geteilt, an dem sich viele stießen: „Wir versuchen, alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land wird, ein ökologisches Land“, hieß es darin. Nicht nur Thüringer fragten kurze Zeit danach: Was das Bundesland bisher ist, wenn nicht frei und demokratisch?

Es war Habecks zweiter Fauxpas auf Twitter, nachdem er zuvor das schwache Abschneiden der CSU bei den bayrischen Landtagswahlen als Rückkehr der Demokratie in das Bundesland begrüßt hatte.

Digital sensibilisiert: Grünen-Chef Robert Habeck

Netzexperte Beckedahl kann Habecks Entscheidung nachvollziehen. „Ich kann mir vorstellen, dass es eine große Belastung für viele Politikerinnen und Politiker ist, in einer Diskussions- und Debattenkultur ständig auch Hass ausgeliefert zu sein.“ Ob der Entschluss klug sei, deutet Beckedahl an, sei eine andere Frage. „Denn im Moment erreicht man über Facebook und Twitter viele Menschen.“ Zudem hätten Politiker wie Robert Habeck auch ein Team unter sich: „Die können die eigenen Botschaften auch über die eigenen Parteikanäle rausjagen und unter die Leute bringen.“

„Alles kann gegen mich verwendet werden“

Für seinen Rückzug aus Facebook und Twitter gab der Grünen-Chef aber noch einen weitere Grund an: Habeck war einer der Politiker, deren persönliche Daten der Hacker gestohlen und veröffentlicht hatte. Der Fall zeige wir wichtig ein Bewusstsein für die Gefahren der leichtfertigen Preisgabe von Informationen im Netz sei. Denn man könne sich vor solchen Straftaten durchaus weitgehend schützen, gibt Beckedahl zu verstehen. Dafür seien vor allem gute Passwörter wichtig, bestimmte Programme, sogenannte Passwort-Manager, könnten dabei helfen.

Er selbst suche sich auch die Speicherorte für seine Daten mit Bedacht aus und überlege sehr genau, wem er welche Informationen anvertraue: „Ich versuche so wenig private Daten wie möglich von mir im Netz preiszugeben, denn mir ist immer bewusst: Das kann später mal  alles gegen mich verwendet werden. Ich habe ganz klar was zu verbergen – und zwar meine Privatsphäre.“

Das Gespräch führte Thomas Spahn.

Redaktionelle Zusammenfassung: Kersten Knipp.

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